: Kleine Zigarettenpause
Angeblich raucht „die Jugend“ immer weniger. Dabei steigen die kleinen Schwindler nur um – auf süßes Nikotin
Rauchen ist uncool, sagen immer mehr Jugendliche. Ja, wie kann das sein? Die beliebtesten Schüler machten es in jeder Fünf-Minuten-Pause. Und der Rest, um sich die öde Zeit bis zum eigenen Durchbruch zu vertreiben.
Die neue Generation findet Zigaretten scheiße. Eine Studie der „Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung“ zeigt: Seit 2001 ist die Raucherquote bei den 12- bis 17-Jährigen konstant gesunken, um 30 Prozent. So am Boden war sie zuletzt 1993.
Statistiker und Eltern freut das: Hurra, die Präventivmaßnahmen haben gefruchtet! Warnhinweise in Todesanzeigenoptik, Bilder von obduzierten Raucherleichen, prima. Und erst die Schockwerbung mit dem Typen im Lokal, der dieser Braut eine Kippe … die daraufhin ein Sprechgerät an den Hals … weil kein Kehlkopf mehr … ein Gedicht! Ja, endlich kapiert das Kind, dass auch in einem dunstfreien Leben die Sonne scheint und Vögelein zwitschern.
Wer aber im Psychologiestudium nicht nur gepennt hat, der weiß: Schockwerbung schockiert nicht. Sie löst „Reaktanz“ aus. Der Rezipient fühlt sich seiner Entscheidungsfreiheit beraubt, wird stinkesauer. Und hört so sicher nicht zu rauchen auf. Höchstens sucht er Wege, um von Gesundheitsindustrie und nervigen Erzeugern vorerst in Ruhe gelassen zu werden. Liebe Eltern, jetzt wird’s bitter: Den meisten Kids ist die Gesundheit wurscht und ein Spruch wie „Keine Macht den Drogen“ nur ein weiterer Fall für den rebellischen Reaktanz-Mechanismus. Fakt ist, die Jugend raucht unbehelligt weiter – nur eben im Schatten der Statistiken. Dass Kiffen bei älteren Kindern nicht verhasst ist, ist bekannt. Neuerdings nuckeln die Jüngsten aber an der „Hubble Bubble“, auch Wasserpfeife genannt.
Ach, werden Mami und Papi denken, Wasserdampf mit Erdbeeraroma. Ein warmer Hauch von Morgenland in unserer kalten Welt! Was macht das schon? Viel, sagt das „Bundesinstitut für Risikobewertung“: Die Nikotin- und Schadstoffkonzentration ist sogar höher als nach dem Genuss einer filterlosen Zigarette – weil sich der kalte Rauch tiefer inhalieren lässt. Und die Sucht kommt erst recht, wenn Nikotin, Arsen und Kohlenmonoxid nach Zuckerkram schmecken. Suchtexperten sehen die Wasserpfeife als Pendant zu Promille-Limos namens „Alcopops“: Schmecken fein, haben es aber böse in sich.
Wer den Nachwuchs mit einer Karamellfahne erwischt – es muss keine Überdosis Törtchen gewesen sein. Kleiner Trost: Wer Süßes raucht, wird nicht mehr so viel Süßes fressen. Übergewichtige Kinder will ja auch keiner! Und bald wird das Kindlein von der Wasserpfeife lassen. Denn Kette rauchen klappt mit diesem Ding einfach nicht. VERENA STEHLE