Holzklotz-Prozess: Anwalt fordert Freispruch

Im Verfahren um den tödlichen Holzklotzwurf von einer Autobahnbrücke wird am Mittwoch das Urteil erwartet. Viele Fragen bleiben offen.

Ließ er nun "aus Frust" den Holzklotz fallen oder nicht? Nikolai H. im Oldenburger Gerichtssaal. Bild: ap

Nach 30 Verhandlungstagen steht am Landgericht Oldenburg der so genannte Holzklotz-Prozess vor dem Abschluss. Angeklagt ist der 30- jährige Nikolai H., weil er am Abend des 23. März 2008 - dem Ostersonntag - von einer Autobahnbrücke bei Oldenburg aus einen knapp sechs Kilogramm schweren Holzklotz auf ein Auto geworfen haben soll. Der Klotz durchschlug die Windschutzscheibe und zerschmetterte das Leben der 33-jährigen Beifahrerin Olga K., die mit ihrem Mann, dem Fahrer des Wagens, und ihren beiden Kindern auf dem Rückweg von einem Osterausflug war.

Staatsanwaltschaft und Nebenklage forderten lebenslange Haft wegen Mordes und dreifachen versuchten Mordes. Das Merkmal der Heimtücke sei dafür ausschlaggebend gewesen, sagte der Staatsanwalt: Die Familie sei völlig arglos dort auf der Autobahn unterwegs gewesen, sie habe weder mit diesem Angriff rechnen müssen, noch habe sie sich gegen die Wucht des Geschosses wehren können. H.s Frustbewältigung sei wichtiger gewesen als das Schicksal der Insassen. H.s Verteidiger plädierte gestern auf Freispruch, für heute wird das Urteil erwartet.

Ein Prozess voller Merkwürdigkeiten und offener Fragen geht damit zu Ende. Offen muss bleiben, was zu dieser monströsen Tat geführt hat. "Aus Frust" habe er den Klotz fallen gelassen, hatte H. bei seinem Geständnis am 21. Mai 2008 gesagt; wenig später widerrief er es, nachdem er den Anwalt unter ungeklärten Bedingungen gewechselt hatte. Für die Polizei war er überhaupt erst verdächtig geworden, weil er sich selbst dort gemeldet hatte: Er habe am Tattag den Klotz auf der Brücke liegen gesehen und weggeräumt, womit er mögliche DNA-Spuren erklären wollte. Die Soko Brücke hatte zuvor öffentlich über einen Massen-Gentest nachgedacht. H., ein Drogenabhängiger, der mit Ordnungsliebe auf dem Weg zum Dealer ist? Das fanden die Ermittler komisch.

Sein Geständnis zog H. in die Öffentlichkeit, die in solchen Fällen nach einem Täter geradezu giert, weil die Zuordnung zu einem Verursacher die Tat vielleicht etwas greifbarer macht in ihrer Unbegreiflichkeit. H., heroinsüchtig, Russlanddeutscher, arbeitslos, ein Leben lebend, das vor Perspektivlosigkeit leer ist - der musste es doch gewesen sein. Bild sprach seither nur noch vom "Brückenteufel", die Lokalzeitung stöberte in seinem Leben und fand Schmuddelhefte im Wohnzimmer - und dann lagen da auch noch andere Holzklötze im Garten.

Vieles deutete auf H. hin, aber lange Zeit sah es so aus, als habe das Gericht so richtig nichts in der Hand: Da waren keine DNA-Spuren am Klotz, nur etwas Erde, die laut LKA-Analyse mit hoher Wahrscheinlichkeit mit der Erde auf dem Grundstück H.s übereinstimmt. Aber das Grundstück ist frei zugänglich, da hätte sonst jemand das spätere Geschoss wegtragen können. Schließlich sein Handy, das wenige Minuten nach der Tat in der Nähe der Brücke registriert war - wie allerdings auch viele andere Telefone, denn es waren Osterfeuer in der Nacht. Viel Könnte-Sein, wenig Eindeutiges.

Es blieb - auch nach dem Widerruf - das Geständnis, das der Berliner Rechtspsychologe Max Steller als Gutachter im Gegensatz zum Widerruf für glaubwürdig hielt. Fragwürdigkeiten allerdings sind auch beim Zustandekommen des Geständnisses nicht zu übersehen. Die Zeit berichtete kürzlich davon, wie H., noch als Zeuge eher wie ein Beschuldigter behandelt wurde. Merkwürdig auch mehrere so genannte Vorgespräche vor den Vernehmungen, von denen es kein Protokoll gibt. Dubios schließlich die Rolle einer freien TV- Produzentin, die H. - der zu dem Zeitpunkt als Verdächtiger nur der Polizei bekannt war - auf der Brücke gegen Geld interviewte, was sich dann zu einer regelrechten Vernehmung auswuchs. Woher die Frau H.s Adresse hatte und interne Details wusste, blieb ungeklärt.

Am Mittwoch wird das Urteil erwartet. Aber es kann gut sein, dass der Fall nicht zum letzten Mal ein Gericht beschäftigt hat.

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