piwik no script img

Bremer Tatort "Schiffe versenken"Eine Seefahrt ist nicht lustig

Ermittlerin Lürsen muss dem Täter nicht nur auf den rechtsfreien Raum eines Containerschiffes folgen. Sie bekommt auch einen schockierenden Einblick in die moderne Arbeitswelt auf See.

Ungewollte Einblicke: Kommissarin Lürsen (Sabine Postel). Bild: ard

Rechtsstaatlichkeit ist keine grenzenlose Angelegenheit, zwölf Meilen hinter der Küste schon endet sie. Auf See wird es dann ein bisschen unübersichtlich mit den juristischen Kompetenzen, wie Kommissar Stedefreund (Oliver Mommsen) feststellen muss, als er ein Containerschiff mit potenziellem Mörder an Bord nach Bremerhaven zurückbeordern will.

Dem Bremer Staatsanwalt sind die Hände gebunden, der deutsche Reeder will partout nicht vom Zeitplan abweichen, und der Botschafter von Liberia, dem Land, unter dessen Flagge der Frachter fährt, sieht sich nicht zuständig. Die MS Karina tuckert also ungehindert weiter nach Norwegen.

Dabei drängt die Zeit, denn an Bord ist auch Ermittlerin Lürsen (Sabine Postel), und die wird zwischen Kojen und Kombüse nun mit einer mürrischen Gruppe Verdächtiger konfrontiert: dem besoffenen Kapitän (Michael Gwisdek), dem Koch und Alkoholschmuggler Juri (Jevgenij Sitochin), dem undurchsichtigen dänischen Offizier Sondergard (Carsten Norgaard) und dem Maschinisten Onno (Gustav Peter Wöhler), der für seine ungelenk überspielte Homosexualität von der Mannschaft immer wieder aufs Böseste vorgeführt wird. Nein, diese Seefahrt ist nicht lustig.

Die Bremer Episode „Schiffe versenken“ (Buch: Wilfried Huismann, Buch: Philip LaZebenik) ist Täterrätsel und Arbeitsweltbesichtigung in einem: Regisseur Florian Baxmeyer, der zuvor die hochkonzentrierte und hochverdichtete Hamburger Tatortfolge „Häuserkampf“ vorgelegt hat, zeigt in einem klaustrophobischen Szenario die Zumutungen des aktuellen Matrosendaseins.

Auf dem Meer, so die unangenehme Erkenntnis, existiert ein Arbeitsrecht sowenig wie eine verbindliche Strafverfolgung.

Wie gut also, dass Lürsen mit ausgelaufen ist. Zwischen Containern und in Staukammern sucht sie nun nach dem Mörder, lässt sich von der mürrischen Besatzung in die unteren Regionen der Reedereiwirtschaft einführen.

Technisch gibt es hier zwar einige Ungereimtheiten, der profunde Einblick in die rechtlich nebulösen Ladeluken der Frachtschifffahrt aber vermag trotzdem zu schockieren.

RB-Tatort, "Schiffe versenken" (ARD, So 20.15 Uhr)

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

2 Kommentare

 / 
  • T
    Thomas

    90 Minuten reichen eben nicht, um ein komplettes Nautik-Studium zu ersetzen. So musste es eben bei einer stark vereinfachten Version bleiben.

     

    Was mich sehr störte, war die Darstellung des Konsuls von Liberia, der Auftritt gehörte schon zur Kategorie "Klischeeszählen für Anfänger".

  • PP
    Peter Pit Liebmann

    Etwas mehr echte Seemannschaft und Kenntnisse über seemännische Alltagsausdrücke sollten schon gegeben sein.

    Auf See außerhalb der Hoheitsgewässer bleiben auf keinem Frachter Gastlandflagge oder andere Lappen gehisst.

    Wenn schon Schlechtwetter, dann stehen keine Flaschen auf glatten Backen und hängende Sachen sind nicht ohne Bewegung. Sturmszenen und in der nächsten Sekunde draußen ruhige See, das stört nicht nur Seeleute.

    Auch die Story ist nicht rund, weder von der kriminalistischen noch von den Locations.

    Trotz allem ist es ein gewagter aufwendiger Tatort mit vielen Parallelen in Realgeschehen.

    Ein Streifen wie eine kunterbunte Familie konstruiert, aber durchaus sehenswert.

    Etwas “Lukona” und die Kieler Anwaltschar, Bilder aus dem Lied der Kieler Hochseefischer (Hein trifft der Bobbyhaken mitten ins Gesicht, Hein hat nun kein Kopf mehr, doch das stört ihn nicht…auf Eis gebettet liegt er bei Butt und Kabeljau…), Monika Bleibtreu, Polarärztin Monika Puskeppeleit aus Bremerhafen.

    Die Mischung aus “Alice im Wunderland”, Pippi Langstrumpf und ein Hauch von Weite, zeigen schon klar das Bedürfnis der multispektoralen Verdichtung und Verknüpfung.

    Dieser Streifen bietet als Exposee doch mindestens Stoff für 6-7 Einzelstories.

    Übrigens haben Container und die übrige Fracht vorm Auslaufen immer, auch bei Schönwetter!) schwerwetterfest verzurrt und gelascht zu werden - nicht erst auf See, und dann hier sogar noch mit Aldispannriemen…

    Der Kapitän peilt die Vorpiek persönlich, darin ist aber kein Ballast sondern Frischwasser.

    Wenn dem Alten das Schiff schon weich vorkommt, hakt auch ein Besoffener Seemann nach.

    Die Laderäume sind wie Tanzsäle und nichts ist dort gesichert, schon hier wird klar, dass der Schwerpunkt nicht stimmen kann, was zusätzlich durch eine Kontrolle der Lademarken und Ladepläne Aufschluss geben würde.

    Schliesslich ist das Lenzen der Ballasttanks nichts Ungewöhnliches, aber nur dann üblich, wenn die Ladung schwer ist und nur wenig Stauraum beansprucht, wie z.B. bei Stahlrollen, Stahlplatten oder schwerem Schüttgut, wodurch dann das Schiff auch ohne Ballast stabil bleibt.

    Auf unbefahrene Zuschauer mag er ansonsten wohl ziemlich dicht wirken, spiegelt aber wenig Realismus, sondern eher Klischees wider.