Hiphop im Schatten der WM: Im Sonntagsstaat unter der Autobahn

Am 11. Juni 2010 beginnt die Fußball-WM in Südafrika. Für die Hiphop-Szene sind die Vorbereitungen dafür nicht nur ein Grund zur Freude.

Fußball-WM 2010: Johannesburg ist derzeit ein Baustelle. Bild: ap

Hipohp-Beats erklingen unter einer Stadtautobahnbrücke in Johannesburgs Innenstadt. Graffitikünstler bemalen die eingerüsteten Betonstelen. Die Jugend in Südafrikas größter Stadt flaniert im Sonntagsstaat zwischen der Bühne, auf der sich Rap-Gruppen aus dem ganzen Land präsentieren und Breakdancer auftreten.

Es ist Freedom Day, nationaler Feiertag zur Feier der ersten freien Wahlen 1994, und bereits zum dritten Mal veranstalten südafrikanische Hiphop-Aktivisten das Festival "Back to da City". Sein Name verdeutlicht, dass sich die Jugend ihre durch ausufernde Kriminalität verwaiste und gefürchtete Innenstadt wieder aneignet. Damit steht Hiphop freilich nicht allein, auch Banken eröffnen wieder neue Filialen in Johannesburg.

Zu tun hat das selbstverständlich mit den Vorbereitungen für die in einem Jahr beginnende Fußball-WM. Ganz Johannesburg scheint derzeit eine Baustelle. Selbst einfache Hausbesitzer widmen ihre Eigenheime zum Bed & Breakfast um. An die WM knüpfen sich große Erwartungen, Hoffnungen, die kaum erfüllt werden können.

Soziales Engagement ist jedenfalls nicht untypisch für die südafrikanische Hiphop-Szene, wie Simone Harris, Chefredakteurin des Rap-Magazins Hype erklärt: "Letztes Jahr haben wir zum ersten Mal eine Preisverleihung organisiert, ein Teil des damit eingenommenen Geldes ging an Wohlfahrtseinrichtungen. Das ist ein wichtiger Aspekt unserer Arbeit, weil viele Rapper aus armen Gegenden kommen. Also versuchen wir, ihnen was zu geben." Auch für die Opfer der xenophoben Ausschreitungen in Johannesburgs Township Alexandra organisierten Harris und die "Back to da City"-Veranstalterin Dominique Soma ein Konzert mit 26 Rap-Künstlern, die Geld sammelten. Etwa 40.000 Rand (circa 4.000 Euro) kamen an Geld-, Sach- und Kleiderspenden zusammen, die einer Hilfsorganisation übergeben wurden.

Künstler aus den Nachbarländern, wie Namibia und Lesotho, aber auch aus Nigeria und Kenia leben in Südafrika. Nicht nur in ökonomischer Hinsicht ist Südafrika Epizentrum. Afrika guckt mehr auf Südafrika als umgekehrt. Musiker aus Südafrika touren aber in den Nachbarländern und verkaufen dort ihre CDs. Auch Hype wird im afrikanischen Ausland vertrieben.

"Wir versuchen einen südafrikanischen und afrikanischen Anteil ins Heft zu bringen, denn wir betreiben das Magazin, um Südafrika eine Hiphop-Plattform zu geben," erklärt Harris.

Das merkt man auch, wenn man die Leserbriefe liest. "Keeping it real," die Forderung, Hiphop stilrein zu halten, ist auch hier ein großes Thema. Kwaito, der in europäischen Großstadtclubs in den letzten Jahren gefeierte Bastard aus House, Hiphop und afrikanischen Elementen, ist der Szene geradezu ein rotes Tuch.

Allerdings sind die Produzenten durchaus um Eigenständigkeit bemüht und versuchen, "südafrikanische Beats" in Abgrenzung zu den US-Vorbildern zu bauen. So benutzen Rapper wie der aus KwaZulu-Natal stammende Zuluboy Samples alter afrikanischer Lieder und Klassiker der südafrikanischen Stile und arbeiten mit Afrojazz-Legenden wie Hugh Masekela zusammen. Die aus Kapstadt stammende Gruppe Driemanskap baut chorale, afrikanische Gesänge in ihre Lyrik ein. Gerappt wird in allen elf offiziellen Landessprachen Südafrikas. Oft werden die verschiedenen Sprachen auch einfach in einer Art Pidgin gemischt.

Lukrative Plattenverträge sind allerdings rar, und viele der Aktivitäten finden auf einem Undergroundlevel statt. "Die Leute übernehmen selbst die Initiative. Manche verkaufen ihre CDs aus dem Rucksack heraus, tingeln von Tür zu Tür." Auch soziales Engagement hat eine lange Tradition. Schon die Oldschool-Legende Prophets of da City mobilisierte 1994 die Jugend zu den ersten freien Wahlen, und Graffiti dienten bereits zu Apartheidszeiten sowohl zur Verbreitung politischer Botschaften als auch dazu, die ärmlichen Townships farbenfroher zu gestalten.

So nimmt es nicht Wunder, dass die Gesetzesinitiative der konservativen Democratic Alliance (DA), Graffiti aus dem Stadtbild zu verbannen, einen Proteststurm in der Hiphop-Gemeinde entfacht hat. Die DA will Johannesburg für die WM rausputzen, bunte Wandmalereien sind da ein Störfaktor.

Dass Graffiti ausgerechnet in dem Land verboten werden sollen, in dem die Wandmalerei vor circa 50.000 Jahren erfunden wurde und in dem sie noch in jüngster Vergangenheit so eine wichtige Rolle im Befreiungskampf gespielt hat, empört die Hiphop-Szene. Es gibt also noch viel zu tun bis 2010. Nicht nur wegen der WM.

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