Klimagas: Angst vor der Blase unter den Füßen

Einigkeit bei Bürgern und Politikern: Schleswig-Holstein darf nicht zum CO2-Klo der Nation werden. Gegen die geplante unterirdische Kohlendioxid-Lagerung in Nordfriesland wollen sie sich gemeinsam wehren.

Weiter Weg für Kohlendioxid: In Schläuchen wie diesen wird das CO2 im Vattenfall-Versuchskraftwerk in Südbrandenburg in Tanklastzüge gefüllt. Bild: dpa

Am Ende eines langen Sitzungstages im Schleswiger Kreishaus ging es eigentlich nur noch um eine Frage: Wer war am frühesten und am heftigsten gegen die Einlagerung von CO2 im Untergrund? Inhaltlich waren sich alle Fraktionen längst einig: Schleswig-Holstein darf "nicht zum CO2-Klo der Nation werden", wie es die grüne Landtagsfraktion schon vor Wochen formulierte.

"Carbon Capture and Storage" (CCS) steht für die Ausscheidung und Lagerung von Kohlendioxid (CO2) im Untergrund. Damit soll verhindert werden, dass das Abgas, das in Kohlekraftwerken entsteht, in die Luft steigt. Bei der Lagerung im Untergrund sehen Experten jedoch eine Reihe von Risiken.

Lagerorte für CO2 sind ausgeschöpfte Erdgasfelder oder salzwasserführende Gesteinsschichten. In diese müsste das Gas mit hohem Druck gepumpt werden.

Durch die Bohrlöcher könnte CO2, das giftig und in hoher Konzentration sogar tödlich ist, wieder austreten.

Im Untergrund verbindet sich das CO2 mit Grundwasser. Dieses "Mineralwasser" sei grundsätzlich ungefährlich, sagen Wissenschaftler, die die CCS-Technik befürworten. Kritiker sehen aber das Trinkwasser in Gefahr.

Völlig unklar ist, was bei Einlagerung im großen Stil passiert, wie sie die RWE Dea in Schleswig-Holstein plant. EST

Die Fraktion der Linken im Kreistag bat eilig, bitte auch mit ihrem Logo in die gemeinsame Resolution aufgenommen zu werden. Die Einhelligkeit in Schleswig war so deutlich, dass sich der Sprecher einer Bürgerinitiative gegen das Gas-Endlager, Werner Asmus, nicht einmal die Mühe machte, die Sitzung zu besuchen: "Da ist alles klar", sagte er. Rund 1.500 Mitglieder habe seine Gruppe bereits, und der Erfolg mache Mut, sagt Asmus: "Die Menschen finden den Glauben an die Demokratie wieder. Es läuft eine Welle durchs Land."

Die Welle richtet sich gegen Pläne des Energieunternehmens RWE Dea, das eine 520 Kilometer lange Pipeline durch Deutschland bauen will. Beginnen soll sie an einer Kohlekraft-Versuchsanlage in Hürth bei Köln, enden in Nordfriesland. Dort will RWE mit dem CCS-Verfahren (siehe Kasten) Kohlendioxid in den Untergrund pressen und lagern.

Die Bundesregierung arbeitet an einem Gesetz, das dieses Verfahren erlaubt - am kommenden Freitag soll es im Bundestag verabschiedet werden. RWE hat Erkundungsrechte für ein Gebiet eingeholt, das 18 Gemeinden in den Kreisen Nordfriesland und Schleswig-Flensburg erfasst. 24.000 Menschen leben hier, und die meisten haben Angst vor der Technik, die den Boden unter ihren Füßen in eine gewaltige Gasblase verwandeln soll.

Bürgerversammlungen und Expertenanhörungen halfen nicht, die Ängste verschwinden zu lassen. Und die Gegner der Pipeline sind viele: So rief der schleswig-holsteinische Bauernverband seine Mitglieder auf, den Fachleuten, die seismische Untersuchungen vornehmen wollen, das Betreten der Grundstücke zu verbieten. "Nach derzeit geltendem Recht muss RWE Dea dafür eine Zustimmung sowohl vom Eigentümer als auch vom Pächter einholen", teilte der Verband am Mittwoch mit.

Gründe der Gegner sind unter anderem, dass die Urlaubsregion an der Nordseeküste ihr sauberes Image verliere. Außerdem diene die CO2-Lagerung nur dazu, weitere Kohlekraftwerke zu ermöglichen - eine "überholte Technik", findet sogar der Bauernverband. Robert Habeck, Landessprecher der Grünen und Mitglied des Kreistags Schleswig-Flensburg, erklärte: "Fossile Energie ist eine Sackgasse, an deren Ende wir hier im Kreis angekommen sind."

Die Kommunalpolitiker wollen nun Druck auf ihre Landtags- und Bundestagsfraktionen machen - die CDU im Landtag steht der CO2-Lagertechnik bisher positiv gegenüber. Laut einem Bericht des Handelsblatt im Mai setzt Schleswig-Holstein mit Niedersachsen, Mecklenburg-Vorpommern und Brandenburg auf eine "Speicherabgabe": Pro Tonne versenktes CO2 sollen fünf Euro fließen, so die Zeitung. Inzwischen erklärte Ministerpräsident Peter Harry Carstensen (CDU) aber, es dürfe keinen Import von CO2 aus anderen Bundesländern geben. Kohlendioxid-Speicher seien jedoch generell denkbar für die Abgase der in Brunsbüttel geplanten Kohlekraftwerke. Ein Sprecher der CDU in Schleswig sagte, Wolfgang Börnsen, der örtliche Bundestagsabgeordnete, werde gegen CCS stimmen.

Ungeklärt ist die Frage der Haftung: Sie soll nach einigen Jahrzehnten auf den Staat übergehen. CDU / CSU und SPD streiten darüber, ob das nach 20 oder 30 Jahren der Fall sein soll. Gestritten wird auch über die Deckung von Folgeschäden - falls etwa CO2 aus der Pipeline austritt. Weiterhin warnt der Naturschutzbund BUND vor Plänen der CDU, nach denen Flächen, die für die Pipeline oder die Bohrungen gebraucht werden, leichter enteignet werden können.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.