Kolumne Zeitschleife: Another Part Of Me, irgendwie

Vor 22 Jahren kaufte ich einem seltsamen jungen Mann meine erste LP ab. Ich konnte nicht anders. Und es war gut so.

Im Sommer 1987 ging ich der größten Pop-Marketing-Hype-Kampagne des Jahrzehnts auf den Leim - and boy, did I love it. Ich war 14, bald 15, und ein schwerer Fall von Pop-Spätzünder, als solcher das Produkt eines schweren Falles von Achtzigerjahre aufm Land ohne ältere Geschwister.

Jahrelang war ich mit aktueller Musik primär in den Showteilen von "Wetten, dass …?" konfrontiert worden, vor anderthalb Jahren nun hatte ich das Popradio entdeckt. Bald produzierte ich am MC-Deck der elterlichen Stereoanlage I a Hit-Mitschnitte und hatte die Beatles-Best-Of meiner Mutter in meine Gewalt gebracht, aber als eigene Tonträger hatte ich erst zwei Singles (hier zu verschweigenden Inhalts) vorzuweisen. Nun hob auf Bayern 3, das ich rund um die Uhr hörte, ein ahnungsvolles Grummeln über ein bevorstehendes Großereignis an. Erstaunliches wurde berichtet von diesem Sänger, über den es irgendwie nur Superlative gab und der Hits hatte, seit er 10 war. In diesem Juli besuchte ich mit meinem Cousin eine Tante in der fernen Stadt München, da hingen überall riesige Werbeplakate, die das Erscheinen eines neuen Songs von Michael Jackson ankündigten. So ein Wirbel für ein einziges Lied, das noch nicht mal im Radio lief - was musste das Bedeutendes sein? Als "I Just Cant Stop Loving You", eine Schmalzballade, dann gespielt wurde, flog mir nicht gerade der Schalter heraus, aber ich hing längst fasziniert am Gängelband der phänomenalen Glorifizierungsmaschine.

Die wenigen medialen Kanäle, die man hatte, waren voll von diesem Michael Jackson, ja, ich hatte mittlerweile sogar schon mal das "Thriller"-Video gesehen bei "Formel Eins". Dann kam das Album in die Läden - "Bad" (die B3-Moderatoren mühten sich, zu erklären, dass "bad" hier, nun, irgendwie "gut" bedeutete; unser aller erste Begegnung mit schwarzem US-Straßenslang) die, oh ja, am heißesten erwartete Platte der Dekade. Und als dann wenig später die ARD abendliche Hauptsendezeit (!) reservierte für die Premiere des von dem berühmten Filmregisseur (!!) Martin Scorsese inszenierten 18-minütigen (!!!) Videos zum Titelsong und nachdem ich noch Tage hiernach auf dem Heimweg vom Schulbus ein paar funky Moves in meine Schritte einbaute (wenn keiner zusah), war ich endlich reif. Als ein Schulausflug meiner Schwester nach München anstand, trug ich ihr auf, zu WOM zu gehen und mir "Bad" zu besorgen. Meine erste vom eigenen Geld - 18,95 Mark - gekaufte LP habe ich nicht selbst aus dem Laden getragen. Aber sie war meine erste eigene LP, mit der ich all die schönen Dinge anstellte, die man mit ersten eigenen LPs anstellt: gnadenlos schönhören, hundertmal das Cover, die Fotos und Credits studieren, die (mir weitgehend rätselhaften) Texte mitlesen, sich checkermäßig fühlen, wenn man den Namen des Bassisten auf "Smooth Criminal" kennt … Ich war auf der Höhe eines globalen Popereignisses mit dabei, als Novize, und ich war entzückt.

Natürlich wurden wir dann bald "erwachsen" und mussten "richtige" und "ernsthafte" Rockmusik" hören, und ich Narr ging nie zu einem Konzert von Jackson, um ihn einmal tanzen zu sehen. Aber den Hits, die noch folgten, entging man nicht, und er blieb meinem Herzen nahe, auch in den verstörenden Jahren danach. Wie nah, war mir gar nicht klar bis Freitag. Was für einen unerwarteten Schmerz hat der 25. Juni hinterlassen. Ich weiß noch, wo ich war, als ich vom Tod Kurt Cobains erfuhr. Aber ich glaube, ich werde nie vergessen, wie ich mich fühlte am Tag, als Michael Jackson starb.

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