die wahrheit: Kampfschwimmer im Aquarium

"Wenn die Mauer bündig abschließen soll, muss erst mal der Vorsprung weg", gab der uns von einem lesbischen Sinologenpärchen empfohlene Fachmann...

... vom Bau zu Protokoll. Worauf wartest du dann noch, dachte ich, lieferte ihm aber die Vorlage, die er erheischte. "Auweia, und was nun?" Er setzte seinen erprobten, auf täglicher Bild-Lektüre fußenden Feldherrenblick auf: "Den flex ich dir ab!" Na also. Mich zog es an den Schreibtisch zurück, wieder einmal froh, nicht auf meinen Vater gehört zu haben, der seinen Sohn aufgrund der Bärenstatur und Wagenradpranken schon immer als Polier in der Kolonne eines benachbarten Bauunternehmers unterbringen wollte.

Nach einer Stunde versiegte jäh der derbe Maschinenlärm, um wildem Gebrüll zu weichen. Ich dachte mir nichts dabei, bis die aufgeregte Stimme meiner Frau mich nach draußen rief. Die Flex war dem Fachmann nämlich abgerutscht und mit Wucht in den Unterarm gefahren, dass die rote Schlacke nur so spritzte und der eben noch heidnisch-hochgemute Mensch ein ganz demütiges Pfingstgesicht aufsetzte. "Haben Sie mal ein Pflaster?", fragte er. "Das darf ich guten Gewissens verneinen", entgegnete ich, "so große haben wir nicht!" - "Der Verbandskasten im Auto …", japste er kraftlos.

Meine Frau verband ihn, und dabei entspann sich ein engagiert geführtes Streitgespräch. "Das wars dann wohl für heute", meinte er, "packen Sie doch bitte meine Sachen zusammen, morgen früh um sieben stehe ich wieder auf der Matte!" - "Erst mal fahre ich Sie ins Krankenhaus." - "Das mache ich schon selber." Als die Dame meines Herzens in ihrer schier unfassbaren Nächstenliebe immer wieder Einwände formulierte, dass er in seinem Zustand kaum in der Lage sein dürfte, halbwegs verkehrssicher einen Wagen zu führen, platzte ihm der Kragen. "Junge Frau, ich war früher bei den Kampfschwimmern!"

So etwas Ähnliches hatte ich mir schon gedacht. Und ich erinnerte mich an diesen wackeren Soldaten vergangener Tage, als die bereits erwähnten japanophilen Lesbierinnen mir jüngst mit mühsam unterdrückter Ergriffenheit von dem "Phänomen Borstenwurm" berichteten. Das seien zwar nicht gerade seltene, wohl in jedem anständigen Salzwasseraquarium anzutreffende, aber darum nicht minder merkwürdige Gesellen. "Der Borstenwurm ist hart im Nehmen, der frisst alles, was auf den Grund absinkt, Aas, Algen, Futterreste." Aber er vergreife sich auch schon mal an Korallen und überfiele bei entschiedenem Nahrungsmangel sogar kleine Fische.

"Auha, so ein richtiger kleiner Kampfschwimmer, was?" - "Jaha", nickten die beiden freudig. Und deshalb sei er für jeden Aquaristen auch so etwas wie eine mittelschwere Unterwasserplage. "Aber das ist ja noch nicht alles", triumphierten sie, "die haben nämlich noch eine Besonderheit, und die lässt Biologinnen echte Luftsprünge machen." Sie konnten jetzt nicht mehr an sich halten und schrien es schrill hinaus: "Entfernt man dem Weibchen des Borstenwurms das Gehirn, wird es zum Männchen." Und morgen früh um sieben steht er wieder auf der Matte.

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kari

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