Kommentar Nabucco-Pipeline: Geopolitische Fantasien

Großprojekte wie die Nabucco-Pipeline sind in der Politik beliebt. Nach kostengünstigeren Alternativen oder auf kleinere Pipeline-Projekte wird kaum geschaut.

Politik braucht Symbole, europäische Politik erst recht. Bei Fragen der Versorgungssicherheit setzt man gerne auf Pipeline-Großprojekte. Ihre Realisierungszeit ist sehr lang. Ihr Weg lässt sich auf Landkarten anschaulich nachvollziehen. Im Mittelpunkt steht "unser Recht" auf eine angemessene Versorgung steigender Ansprüche.

Die Debatte über Gas-Pipelines wie Nabucco bewegt sich in den Kategorien der Außenpolitik des 19. und 20. Jahrhunderts. Eine Gruppe von Produzenten-, Transit- und Verbraucherländern schließt sich zusammen, um einen neuen Rohstoffkorridor zu eröffnen, immer in gespannter Erwartung der Interventionen der (russischen) Gegenseite und des Verrats innerhalb des eigenen (europäischen) Lagers. Eine spannende Erzählung, die über viele Jahre hinweg trägt. Die Frage aber, ob die Pipeline wirklich so dringend benötigt wird, ob es nicht kostengünstigere und realistischere Alternativen für mehr Versorgungssicherheit gibt, stellt kaum noch jemand.

Der verstärkte Einsatz erneuerbarer Energieträger wie Biogas und die Steigerung der Energieeffizienz ließe den Importbedarf drastisch absinken. Die bessere Verknüpfung der innereuropäischen Gasmärkte und solidarische Krisenreaktionsmechanismen brächten mehr Sicherheit für alle EU-Mitglieder, auch der Ausbau von Terminals für Schiffstransporte von verflüssigtem Erdgas. Kleinere Pipelineprojekte aus dem kaspischen Raum, in der öffentlichen Debatte kaum beachtet, würden geringere politische Widerstände hervorrufen.

Keine Frage: Sollte der Bau von Nabucco gelingen, wäre dies ein wichtiger Mosaikstein für mehr Versorgungssicherheit in der EU. Aber eben nur einer. Geopolitischen Fantasien sollten den Blick auf pragmatische Alternativen nicht verstellen.

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