Leverkusen vor dem DFB-Pokalspiel: "Ein Sauhund muss her"

Bayer Leverkusen hat vor dem Pokalauftritt beim SV Babelsberg 03 ein Luxusproblem. Der Trainer ist immer noch auf der Suche nach einem Großmaul mit Führungsqualitäten.

Braucht ein "Großmaul" für seine Ansammlung perfekter Schwiegersöhne: Leverkusens Trainer Jupp Heynckes. Bild: ap

LEVERKUSEN taz | Auf den ersten Blick ist alles wie immer in Leverkusen. Die Mannschaft ist jung, talentiert, gewinnt ein Testspiel nach dem anderen, und die Zuschauer gehen nach Hause und denken: "Toller Fußball. Eigentlich müsste diese Mannschaft ganz oben in der Tabelle landen."

Eigentlich. Denn die Leverkusener Vergangenheit erzählt eine andere Geschichte. Es ist das alte Drama vom schönen Fußball, der am Ende doch nicht zum Erfolg führt. Und so sagt Kapitän Simon Rolfes in diesem Sommer: "Wir haben wirklich eine gute Vorbereitung gespielt, aber wir sollten das nicht zu hoch stellen. Keiner weiß besser als wir, dass es am Ende auf die Wettbewerbsspiele ankommt."

Wie am Freitag auf das DFB-Pokalspiel gegen den SV Babelsberg 03. Die Leverkusener haben aus der Vergangenheit gelernt, sie sind vorsichtig geworden bei Bayer 04. Immerhin gibt es diesmal einen glasklaren Ansatz, der die spielerische Qualität des Kaders mit dem Element der Konstanz veredeln soll.

Das Zauberwort lautet: Erfahrung. Altmeister Jupp Heynckes ersetzt den Trainernovizen Bruno Labbadia, und auf dem Platz soll Sami Hyypiä, der Finne, der in zehn Jahren beim FC Liverpool Champions League und Uefa Cup gewonnen hat, all seine Routine einbringen.

Außerdem hätten die Spieler sehr viel mitgenommen aus der vergangenen Saison, "wir sind reifer geworden", sagt Rolfes. Mangelnde Erfahrung wird diesmal nicht als Ausrede gelten am Rhein. Allerdings müssen sie den Ausfall von Angreifer Patrick Helmes verkraften; seine Achillessehne war beim Freizeitkick gerissen, wodurch er wohl noch ein halbes Jahr braucht.

Es gibt auch noch ein anderes Problem in Leverkusen: Die Atmosphäre im Kader sei "zu harmonisch", hat Heynckes früh in der Vorbereitung erkannt, der Trainer wünscht sich eine ausgeprägtere Streitkultur. "Jede gute Mannschaft braucht ein paar Sauhunde", findet der 64-Jährige, "es kann nicht immer alles harmonisch ablaufen, wir brauchen Spieler mit Ecken und Kanten."

Seit Jahren gilt das Team als Ansammlung perfekter Schwiegersöhne, selbst Sportdirektor Rudi Völler vermisste im Vorjahr einen "Drecksack". Weder Hyypiä noch die anderen Neuzugänge Eren Derdiyok (FC Basel) und Daniel Schwaab (SC Freiburg) erfüllen dieses Anforderungsprofil des Sauhunds auf dem Fußballplatz, der auch mal böse gegenüber den Mitspielern wird.

Zuletzt war dieses Problem besonders gravierend, weil die Mannschaft sich gegen Trainer Labbadia verschworen hatte. Die internen Selbstreinigungsprozesse innerhalb des Kaders waren gestört durch diesen Konflikt. Unter Heynckes ist die Stimmung nun völlig anders. Wolfgang Holzhäuser spricht von einem "eklatanten Unterschied", der neue Fußballlehrer gehe "viel sensibler mit den Spielern um, ist flexibler und agiert mit mehr Fingerspitzengefühl", sagt der Geschäftsführer.

Außerdem hat Heynckes den Spielansatz modifiziert. "Man kann nicht 90 Minuten lang Pressing spielen", sagt er, nur noch in bestimmten Phasen des Spiels soll der Gegner schon in dessen Hälfte unter Druck gesetzt werden. In anderen Momenten will Heynckes eigene Kontersituationen provozieren, das komme den enormen technischen Fähigkeit seiner Mannschaft entgegen. "Wir spielen kontrollierter", sagt Rolfes.

Die alte Mannschaft soll also einen neuen Fußball spielen, denn das Personal ist praktisch dasselbe wie im Vorjahr. Aus der Stammelf ist nur Henrique verloren gegangen; er wird von Hyypiä ersetzt. Größere Effekte als die Korrekturen am Kader könnte daher die neue Arena entfalten.

In Leverkusen fiel es den Gästefans stets leicht, akustisch zu dominieren, nun ist die Kapazität des Stadions auf 30.000 erweitert worden. Die Höhe der Ränge und die Enge wirken imposant, und die Resonanz des Anhangs ist beachtlich. Zur Saisoneröffnung, einer Veranstaltung, zu der sich in früheren Jahren selten mehr als 10.000 Leute aufrafften, pilgerten am vorigen Sonntag 23.000 Anhänger. Sie alle erwarten eine baldige Rückkehr in den Europapokal.

Auch Sami Hyypiä sagt, das Erreichen der Europa League sei "Minimalziel", doch angesichts der enormen Leistungsdichte in der oberen Tabellenhälfte ist ein erneutes Scheitern ebenso gut denkbar. Schließlich galt Jupp Heynckes vor gar nicht langer Zeit als Trainer der Vergangenheit. Seine letzten beiden längerfristigen Projekte mit Schalke 04 und Borussia Mönchengladbach sind recht kläglich gescheitert.

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