Protest gehen Langer-Ehrung: Bundesverdienstkreuz zurückgeben

Die Verleihung des Bundesverdienstkreuz an Felicia Langer sorgt für Aufregung. Viele drohen oder kündigen an, ihr Verdienstkreuz abgeben zu wollen. Aber wie geht das eigentlich?

Umgehängt bekommen ist einfach. Aber wie legt man das Verdienstkreuz eigentlich wieder ab? Bild: reuters

Versprechen - das lernt jedes Kind - soll man halten. Im Nachgang zur umstrittenen Verleihung des Bundesverdienstkreuzes 1. Klasse an Felicia Langer blickt der Beobachter daher gespannt auf die ein oder andere Drohung, Ankündigung oder auch Erfüllung. Der in Israel lebende, aus Köln gebürtige, über 70 Jahre alte Reiseunternehmer Motke Schomrat ist ein ehrenwerter Mann: Er hat seine Ankündigung wahr gemacht und, wie er sagte, unter großem Schmerz sein Bundesverdienstkreuz in der deutschen Botschaft in Tel Aviv zurückgegeben.

Andere, Hochmögendere, zögern noch, und so stellen sich Fragen, auf die man bisher gar nicht gekommen wäre: Wie gibt man eigentlich ein Bundesverdienstkreuz zurück? Motke Schomrat hatte es leicht: Er konnte in Tel Aviv zur Botschaft fahren. Aber was tut man in Deutschland? Lässt man sich einen Termin im Schloss Bellevue geben? Schickt man ein Päckchen mit dem Stückchen bunt emaillierten Metall - möglichst eingeschrieben - an den Präsidenten, Berlin, Schloss Bellevue?

Oder kann man, als Erinnerung an bessere Zeiten, das Stückchen Metall gleichwohl behalten, um in einem Schreiben einfach mitzuteilen, dass man die damit verbundene Ehrung zurückweist?

Es ist mit Orden wie mit Geld: Sie erhalten ihren Wert nicht aus dem Marktwert der in ihnen verarbeiteten Materialien, sondern aus einer abstrakten Deckung: hier der im Geld manifestierten Arbeitskraft bzw. der Kreditwürdigkeit der ausgebenden Zentralbanken, dort der öffentlich bekundeten Ehrbezeugung. Dann aber tun sich Abgründe weiterer Fragen auf: Was genau würde es heißen, eine einmal erhaltene Ehrung - es geht jetzt nicht mehr um das Stück Metall - zurückzugeben? Bescheinigt man sich damit, zu Unrecht geehrt worden zu sein? Oder doch wenigstens: unter falschen Bedingungen und Voraussetzungen geehrt worden zu sein? Oder doch zumindest: einem Orden verleihendem Staat wie der Bundesrepublik mitsamt ihren Staatsnotaren, den Präsidenten, also einer Art Club, nicht mehr angehören zu wollen?

Auf den Groucho Marx zugesprochenen Gedanken Woody Allens, niemals Mitglied eines Clubs werden zu wollen, der Leute wie ihn selbst aufnehmen würde, sind die noch mit Rückgabe drohenden Ordensträger jedenfalls nie gekommen. Haben sie sich - so wäre nun im Rückblick zu fragen - bei der Entgegennahme ihrer Orden aufrichtig dessen versichert, wer sonst noch vor ihnen alles ein derartiges Kreuz erhalten hat und ob alle anderen TrägerInnen ehrenwert sind? Und hätten sie die Ehrung auch dann noch, so sie es gewusst hätten, tatsächlich angenommen? In diesem Zusammenhang fällt auf, dass es offenbar kein leicht zugängliches, öffentlich einsehbares Verzeichnis aller Ordensträger seit Einsetzung dieser Ehrung gibt.

Auch hier kann der Beobachter nur hoffen, dass er sich irrt und es dieses Verzeichnis doch gibt. Wenn nämlich nicht, so hätte man der Praxis der Ordensverleihung das vorzuwerfen, was die (Sprach-)Philosophie einen "performativen Widerspruch" nennt: nämlich eine sprachliche Handlung, die in einem Atemzug das, was sie gerade deklariert, wieder zurücknimmt, etwa wenn ein Kreter sagt, dass alle Kreter lügen. Eine öffentliche Ehrung zielt ja auf nichts anderes, als die Verdienste einer Person um Staat und Gesellschaft der dauernden Aufmerksamkeit und dem anhaltenden Respekt aller Bürgerinnen und Bürger vor Augen zu führen.

Orden diskret zu behandeln, wie das etwa Geheimdienste in aller Welt tun, wenn sie ihren Spitzeln klammheimlich Blech an die Brust heften, um die Verräter der Ehrenhaftigkeit ihres Tuns zu versichern, ziemt einer demokratischen Gesellschaft gerade nicht. Das gilt dann aber auch für die "Rückgabe" der Ehrung, den Austritt aus dem Club.

Wurde er öffentlich angedroht, so hat die Öffentlichkeit einen Anspruch darauf, zu erfahren, ob die Drohung wahr gemacht wurde und wie die zuständigen Instanzen, in diesem Fall das Bundespräsidialamt, darauf reagiert haben. Endlich: Laufen derzeit die Telefondrähte zwischen Schloss Bellevue und den Rückgabewilligen heiß? Wo bleiben Leitartikel und Kommentare, ja parlamentarische Anfragen, ob Staat und Gesellschaft durch die ganze Affäre nachhaltiger Schaden droht?

Vor allem: Von wem ging eigentlich der Impuls zur Ehrung Felicia Langers aus? Man muss gar nicht mit der aufgeregten Blogosphäre sympathisieren, um nüchtern festzustellen, dass die Verleihung des Bundesverdienstkreuzes an Langer außenpolitische Interessen der Bundesrepublik zumindest berührt hat - man denke nur an die unfreundliche Reaktion der israelischen Regierung. Anstatt sich weiterhin der läppischen Affäre um Ulla Schmidts Dienstlimousine zuzuwenden, sollte doch der Bundestagsausschuss für Äußeres die zuständigen Beamten im Präsidialamt, wenn nicht gar Horst Köhler oder doch den zuständigen Außenminister selbst vorladen. Außen- und Moralpolitik sind auch und gerade im Wahlkampf allemal spannender als eine Dienstwagenaffäre.

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