Wahlen in Afghanistan: Sturmwolken über Villen von Kabul

Afghanistans Präsident Karsai behauptet so wie Herausforderer Abdullah, die Wahl gewonnen zu haben. Hinter den Kulissen laufen Beschwichtigungsversuche.

Abdullah Abdullah (r.) glaubt an seinen Sieg. Genauso wie Karsai. Ja was denn nun? Bild: reuters

KABUL taz | Attiq aus dem Pandschirtal, Türwächter bei einer Nichtregierungsorganisation in Kabul, zeigt stolz seinen rechten Zeigefinger. Obwohl er bei den Präsidentschaftswahlen am Donnerstag für den wichtigsten Oppositionskandidaten, Abdullah Abdullah, gestimmt hat, ist von der angeblich nicht abwaschbaren Tinte keine Spur mehr zu sehen. "Bleichmittel", grinst er.

Attiqs Kollege Abdul Haq aus der Provinz Paktia hat für den anderen wichtigen Oppositionskandidaten Ashraf Ghani gestimmt. Aber beide Männer sind jetzt einfach froh, dass ihnen nichts zugestoßen ist, dass die Wahlen vorbei sind. "Hoffentlich bleibt es auch nächste Woche friedlich", sagen sie.

Einen Tag nach den Präsidentschaftswahlen in Afghanistan liegt gespannte Ruhe über der Hauptstadt. Zwar ließ Amtsinhaber Hamid Karsai bereits gestern früh verkünden, dass der Sieg ihm gehöre und ein zweiter Wahlgang unnötig sei. Doch offizielle Ergebnisse werden erst für dieses Wochenende erwartet.

Karsai zwang mit seiner Erklärung allerdings seinen wichtigsten Herausforderer, Abdullah Abdullah, nachzuziehen. Dessen Wahlkampfmanager behauptete wenig später, die eigenen Wahlbeobachter seien zu dem Ergebnis gekommen, dass Abdullah 63 Prozent erhalten und damit die Wahl gewonnen habe.

Zahlen sind Glückssache in Afghanistan. Derzeit wagt niemand genaue Vorhersagen, ob Karsai wirklich in der ersten Runde eine absolute Mehrheit gewonnen hat. Eine Pressekonferenz des Präsidenten am Wahlabend, bei der dieser einen überaus zuversichtlichen Eindruck machte, lässt viele Analysten jedoch glauben, Karsai habe vielleicht wirklich den Sieg davongetragen. Die überaus niedrige Wahlbeteiligung im Süden des Landes, kombiniert mit dem Fehlen unabhängiger Beobachter, öffneten Manipulation Tür und Tor - und die nützen dem Amtsinhaber.

Die Free and Fair Elections Foundation (Fefa), die 8.000 Beobachter im Land stationiert hatte, berichtet, dass vor allem im Süden Afghanistans viele Männer anstelle von Frauen gewählt hätten. "Unsere Beobachtungen erwecken Bedenken über die Qualität der Wahlen", so die Fefa.

"Es ist sehr bedenklich für die Legitimität dieser Wahl, dass in den am stärksten bevölkerten Provinzen Afghanistans, wie beispielsweise Helmand, sehr wenig Leute zur Wahl gegangen sind", sagt auch Abdul Ghafoor Liwal, Präsident des Regional Studies Center of Afghanistan, eines Kabuler Thinktanks.

Die größte Befürchtung unter den Menschen ist daher derzeit, dass das Lager von Abdullah Abdullah einen Sieg Karsais nicht hinnehmen und Bürgerkrieg in Kabul provozieren könnte. "Diese Leute haben schon einmal Kabul zerstört", sagt Hamid Zazai, Inhaber einer Druckerei in der afghanischen Hauptstadt. "Ich habe Angst, dass wieder alles, was wir uns erarbeitet haben, kaputt gemacht wird."

Der Vorsitzende der Fefa, Nader Nadery, rief deshalb gestern "alle Beteiligten" dazu auf, "sich in dieser kritischen Phase an die Spielregeln zu halten".

Die Pressekonferenz, die Abdullah nach den Wahlen gab, stimmt allerdings optimistisch. Auf die Frage eines Journalisten, ob er im Falle einer Niederlage zur Gewalt aufrufen werde, sagte Karsais Herausforderer: "Unser Team wird alle Unregelmäßigkeiten dokumentieren und dann bei der Beschwerdekommission melden."

Auch Abdul Ghafoor Liwal glaubt, dass es ruhig bleibt: "Zum einen stehen die wichtigsten Warlords im Karsai-Lager, zum anderen haben viele von ihnen inzwischen Villen in Kabul gebaut - die wollen sie nicht wieder kaputt machen. Außerdem sind die internationalen Truppen hier."

Und nicht nur die. Wer derzeit das Hotel Serena in Kabul betritt, einziges 5-Sterne-Etablissement der Hauptstadt, trifft Unmengen US-amerikanischer und europäischer Besucher. Sie sind nicht auf Urlaub in Afghanistan. Viele von ihnen werden an Verhandlungen beteiligt sein, eine neue Regierung unter Beteiligung von Karsais Herausforderern auf die Beine zu stellen.

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