NPD erschließt neue Einnahmequelle: Steuergelder für Neonazis
Weil die Neonazis wieder in den Sächsischen Landtag eingezogen sind, steht ihnen eine staatliche Förderung für ihre Stiftung "Bildungswerk für Heimat und Nationalstaat" zu.
Experten bewerten das Abschneiden der NPD bei den Wahlen als moderaten Erfolg. "Obwohl die Partei dieses Jahr kein großes Thema wie den Protest gegen Hartz IV hatte, ist sie erstmals wieder in einen Landtag eingezogen", sagte Anetta Kahane, die Vorstandsvorsitzende der Amadeu Antonio Stiftung, am Montag in Berlin. "Das zeigt, die NPD hat eine Stammwählerschaft."
Dass es die NPD in Thüringen mit 4,3 Prozent der Stimmen nicht in den Landtag geschafft hat, sei "reine Glückssache", sagte die im Kampf gegen Rechtsextremismus engagierte Kahane. "Wäre die Wahlbeteiligung dieses Mal nicht sechs Prozent höher gewesen als bei der Wahl 2004, dann säßen die Rechtsextremen nun im Parlament." Denn die Stammwähler der NPD gingen in jedem Fall zur Wahl.
Ein weiterer Erfolg der Nationaldemokraten dürfte das Erschließen einer neuen Finanzquelle sein. Weil sie in Sachsen zum zweiten Mal in den Landtag einziehen werden, können sie für eine parteinahe Stiftung staatliche Zuschüsse beantragen. Bereits im Jahr 2005 hat die NPD eine solche Stiftung gegründet: das "Bildungswerk für Heimat und nationale Identität". In der Öffentlichkeit tauchte diese Einrichtung kaum auf. Mit Geld vom Staat könnte sich das künftig allerdings ändern.
"Im sächsischen Haushalt für 2010 ist bereits eine Summe von rund 800.000 Euro für die Stiftungen der bisher im Landtag vertretenen Parteien eingestellt", sagt Stefan Schönfelder, Geschäftsführer der sächsischen Heinrich-Böll-Stiftung "Weiterdenken". Wie das Geld verteilt werde, unterliege allerdings keinen strikten Kriterien. Zwar spiele die Größe der Fraktionen eine Rolle, doch das allein sei nicht entscheidend. Eines ist jedoch klar: Etwa 100.000 Euro werden es wohl sein.
"Diese Summe gilt als Mindestausstattung, um überhaupt arbeiten zu können", sagt Schönfelder. So viel bekommt seine Stiftung auch.
Grundsätzlich steht jeder parteinahen Stiftung eine Förderung zu, lange Zeit gab es dafür gar keine Kriterien. Erst das Bundesverfassungsgericht stellte 1986 in einem Urteil solche Kriterien auf, nachdem die Grünen geklagt hatten.
Seither gibt es Regeln, allerdings recht unpräzise. "Erwachsenenbildung" soll eine parteinahe Stiftung betreiben, ebenso soll sie eine politische Strömung mit "Kontinuität und Relevanz" vertreten. "Wenn eine Partei zweimal in einen Landtag gewählt wird, ist diese Bedingung erfüllt", sagt Schönfelder. Dass die Stiftung demokratische Werte vertreten muss, schrieb das Urteil jedoch nicht fest.
"Mit dem Verweis auf die nicht verfassungsvertretenden Positionen der NPD könnte der Landtag möglicherweise eine Auszahlung der Gelder an die NPD ablehnen", sagte der Böll-Geschäftsführer weiter. "Aber dagegen wird die NPD garantiert auch klagen - bis zum Bundesverfassungsgericht." Weil sie nach dem Gleichheitsgrundsatz behandelt werden muss, ist die Wahrscheinlichkeit recht hoch, dass die rechtsextreme Partei den Sieg davontragen wird.
Das würde der NPD selbst dann noch nützen, wenn sie bei der nächsten Landtagswahl wieder aus dem Parlament flöge: "Ist dieser Status der Förderung einmal erreicht, verliert die Stiftung ihn nicht, auch wenn die ihr nahestehende politische Strömung nicht gleich wieder in den Landtag kommt", sagt Schönfelder. Er selbst muss es wissen. Die Grünen saßen ebenfalls lange nicht im Sächsischen Landtag, ihre Stiftung wurde dennoch finanziert.
Zusätzlich hat die Partei in Sachsen, Thüringen und im Saarland Anspruch auf Gelder aus der Parteienfinanzierung. Schließlich erhielt sie überall über ein Prozent der Stimmen. Wie viel Geld die NPD erwarten darf, konnte die Bundestagsverwaltung am Montag noch nicht beantworten.
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