: Platzeck-Boys reiten in Berlin ein
Matthias Platzecks wichtigste Helfer und Denker aus Brandenburg sollen das Willy-Brandt-Haus auf die Bedürfnisse des neuen SPD-Chefs ausrichten. An ihrer Spitze stehen Martin Gorholt und Klaus Ness
AUS BERLIN JENS KÖNIG
Wenn man in Potsdam drei Stunden lang auf dem Flur der SPD-Landtagsfraktion sitzt, lernt man halb Brandenburg kennen. Im Zimmer des Pressesprechers schauen alle möglichen Minister, Abgeordneten und Journalisten vorbei, Parteizugehörigkeit spielt da nur eine Nebenrolle. Im politischen Betrieb Brandenburgs geht es sehr familiär zu. Auch Matthias Platzeck, der Ministerpräsident, hat sich ein warmes Nest gebaut. Seine engsten Mitarbeiter kennt er seit Jahren persönlich sehr gut, es herrscht ein entspannter Ton, Loyalität wird groß geschrieben. In diesem Klima ist es Platzeck gelungen, einen Kreis kluger und intellektuell anspruchsvoller Berater um sich zu scharen.
Die wichtigsten von ihnen übernehmen jetzt Schlüsselpositionen im Berliner Willy-Brandt-Haus. Ihre Funktion: Sie sollen dem frisch gewählten SPD-Vorsitzenden in der Hauptstadt Basis und Heimat sein. Ihre Mission: die Parteizentrale durchzulüften und auf die Bedürfnisse ihres neuen Chefs auszurichten.
An der Spitze dieser Brandenburger Boygroup – Platzeck hat fast nur Männer zwischen 30 und 50 um sich versammelt – stehen Martin Gorholt und Klaus Ness. Beide gehören zu den westdeutschen Genossen, die sich Anfang der 90er-Jahre von der Arbeit Manfred Stolpes und Regine Hildebrandts, den Helden der Brandenburger SPD, angezogen fühlten und in den Osten gingen.
Gorholt, 49, kam 1990 nach Potsdam und wurde Geschäftsführer des SPD-Landesverbandes. Von 1994 an arbeitete er elf Jahre lang als Büroleiter des Wissenschafts- und späteren Bildungsministers Steffen Reiche. Im September 2003 wurde er selbst Bildungsstaatssekretär. Gorholt gilt als Organisationstalent und fleißiger Arbeiter. Das alles qualifiziert ihn in Platzecks Augen für einen wichtigen Posten in der Parteizentrale: Gorholt übernimmt als Bundesgeschäftsführer die Leitung des Willy-Brandt-Hauses. Er löst damit den Müntefering-Vertrauten Kajo Wasserhövel ab.
Klaus Ness, 43, diente sich an Gorholts Seite in der Brandenburger SPD nach oben. 1994 löste er ihn als Landesgeschäftsführer ab. Heute gilt Ness als ideologischer Vordenker von Platzecks Politik. Er ist ein intelligenter Stratege, der von den märkischen Genossen respektiert, aber nicht geliebt wird. Ihn umweht eine kühle Aura. Sein professionelles Management des Wahlkampfs 2004, den Platzeck trotz Anti-Hartz-Proteste gewann, hat Ness jedoch für Höheres empfohlen. Jetzt geht er mit Gorholt nach Berlin – offiziell als dessen Büroleiter, aber schon bald soll er als Chefberater von Platzeck eine eigene Abteilung für strategische Grundsatzfragen leiten.
Am Montag werden Gorholt und Ness ihre Arbeit beginnen. Sie stellen sich den Mitarbeitern des Willy-Brandt-Hauses vor. Dort macht sich einige Nervosität breit – nicht nur, weil jetzt eine neue dieser üblich gewordenen Jungs-Combos einreitet. In der Parteizentrale, die seit 1999 erst auf den Generalsekretär und dann auf den Vorsitzenden Franz Müntefering zugeschnitten war, hat man sehr wohl registriert, dass Platzecks Rede auf dem Karlsruher Parteitag einen Bruch mit der Münte-SPD darstellt. Der neue Vorsitzende ist kein Organisationsstalinist – er will die Partei offener, diskussionsfreudiger machen. Und Platzeck spricht mit seiner Politik die Menschen nicht so sehr als Opfer, sondern als wissbegierige Bürger an. Deshalb redet er über Finnland als Vorbild für die deutsche Sozial- und Bildungspolitik.
Über diese Neuausrichtung der SPD wird in Brandenburg seit Jahren diskutiert. Der kleine Landesverband leistet sich dafür sogar eine eigene theoretische Zeitschrift: perspektive 21. Verantwortlich für den Inhalt: Klaus Ness. Unterstützt wird er dabei von ein paar Denkern aus dem Umfeld der Berliner Republik, einem Organ der jüngeren SPD-Generation, das sich den pragmatischen „Netzwerkern“ verbunden fühlt. Einer der wichtigsten von ihnen: der Politologe Tobias Dürr, 40. Er arbeitet in Platzecks Staatskanzlei in Potsdam und wird dort wohl auch bleiben, aber seinen Chef geistig nach Berlin begleiten. Die Hauptpassagen aus Platzecks Parteitagsrede stammten von Dürr.
Die Brandenburg-Connection eint noch etwas: Sie alle kennen Hubertus Heil gut. Heil, 33, ist neuer Generalsekretär der SPD. Das sollte von Vorteil sein.