Über das neue Bild des Heroischen: Mut zur Courage

Helden sind heute keine Übermenschen mehr. Sie wurden zivilisiert. Doch jetzt arbeitet die konservative Rechte an einem neuen Bild des Heroischen - zu Unrecht.

Zu der Andacht für das Opfer des S-Bahn-Mords kamen viele Trauernde. Bild: dpa

BERLIN taz | Der Held und das Heldische haben in Deutschland einen schlechten Leumund. Das hängt mit dem Übermaß an Heldentum zusammen, das den Deutschen von ihren politischen Führungen in zwei Weltkriegen abverlangt worden ist.

In Deutschland war die Heldentat eng mit dem Vaterland verknüpft, einem edlen Ziel, dem zuzustreben kein Opfer groß genug war. Der massenhafte Heldentot brachte es nach der Kapitulation Nazideutschlands mit sich, dass die Überlebenden von Helden genug hatten. Eine antiheroische Grundstimmung prägte die Geschichte in beiden deutschen Staaten. Sie hält bis heute an - und das ist gut so.

Mit diesem Stand der Dinge wollen sich die Ideologen der konservativen Rechten nicht abfinden. Sie beklagen, dass in der egalitär ausgerichteten Massendemokratie das Heroische aus der Gesellschaft entfernt worden ist. Männer (es sind stets Männer), die kraft ihrer Persönlichkeit die Massen überragen, die außerordentliche Taten vollbringen, haben keine Daseinsberechtigung mehr.

An deren Stelle treten die Surrogate der Kulturindustrie. Die Stars und Celebrities, die ein angeblich nach wie vor bestehendes Bedürfnis nach dem Heldischen befriedigen sollen. Mit dem Helden ist auch der Ruhm dahin. An dessen Stelle tritt die kurzfristige Berühmtheit, sei es, dass deren Nutznießer "famous" sind oder wenigsten "notorious".

Die Versuche der Rechten, an einem neuen Bild des militärischen Heroismus zu arbeiten, um entsprechende symbolische Formen zu etablieren, sind ebenso durchsichtig wie zum Scheitern verurteilt. Wie aber steht es mit der Figur des Helden und der Verehrung des Heldischen in einem gänzlich unmilitärischen, oft sogar pazifistischen Bereich, dem des sozialen Engagements, dem des Bürgersinns in Aktion?

In dem Maße, indem sich der Bereich zivilgesellschaftlicher, vom Staat wie von Großorganisationen unabhängiger Initiativen entwickelt hat, werden die "Heldinnen und Helden des Alltags", wie sie Samstag auch beim taz Panter Preis gefeiert werden, populär. Menschen wie du und ich, die in einer schwierigen Lage unabhängig von den Erfolgsausichten und der Zahl der Unterstützer zupacken, etwas Gutes bewirken und so als Vorbild wirken. Die Soziologin Ute Frevert hat in diesem Zusammenhang von einer Demokratisierung und Zivilisierung des Heldischen gesprochen. Inwiefern ist aber der Mut und die Selbstlosigkeit der Menschen, die sich sozial engagieren, tatsächlich "heldisch"?

Die als "Helden des Alltags" Gefeierten weisen in der Regel den Heldenstatus weit von sich. Aber etwas in der Bewunderung für sie bringt diese Saite zum Klingen. Es ist die Feier des Außerordentlichen, der besonderen Tat, zu der wir selbst uns nicht aufschwingen können. Indem wir bewundern, identifizieren wir uns mit unserem Helden und gewinnen durch diese Identifikation einen narzisstischen Mehrwert.

Gefährlich daran ist, dass diese Beimischung von Heldentum nicht nur eine harmlose Umformung des Begriffs vom "Helden" für zivilgesellschaftliche Zwecke darstellt. Im Helden schwingt die Vorstellung von übermenschlicher Größe, von einsamer Entscheidung auf Leben und Tod, von bedingungsloser Aktion mit. Es ist die Tat, die zählt. Und diese semantische Gewicht muss die Rede von den "HeldInnen des Alltags" mit sich herumschleppen.

Wenn wir statt von Heldentum von Zivilcourage sprechen, vermeiden wir gerade diesen Assoziationsraum. Nicht umsonst wird seitens der Kritiker des Begriffs Zivilcourage argumentiert, er sei gegen das Heldische gerichtet und versuche, die entscheidende Bedeutung individuellen Heldentums auszublenden.

Dabei sei doch die Demonstration der Demokraten auf den Straßen Teherans nicht anders als heldenhaft zu nennen. Erst recht die Tat eines einzelnen Münchner Bürgers, der sich schützend vor zwei von jungen Kriminellen angegriffenen Kinder stellte und die Verteidigung mit dem Leben bezahlte. Beide angeführten Fälle zeugen von außerordentlichem Mut.

Aber haben die Teheraner Demokraten sich nicht gegenüber der tyrannischen Staatsmacht zusammengeschlossen? Spielte kollektive Solidarität, gegenseitiges Mut machen, keine Rolle? Liegt das Schreckliche der Münchner Mordtat nicht am Versagen der Umstehenden, sich dem Verteidiger anzuschließen, mithin im Ausbleiben solidarischer gemeinsamer Aktion? Nicht das Heldische ist zu feiern, sondern Mut und Entschlossenheit von Bürgern. Wie sie im Namen der Zivilcourage enthalten sind.

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