Der Nimbus ist entgültig dahin: Schatten über der CSU

Vom sonst so lauten Horst Seehofer kommen nach dem schlechten Wahlergebnis leisere Töne. Noch nie in 60 Jahren Bundestagswahl war die CSU schlechter als vergangenen Sonntag.

Niemals in 60 Jahren Bundestagswahl schnitt die CSU schlechter ab. Bild: dpa

MÜNCHEN taz | Am Morgen nach dem desaströsesten Bundestagswahlergebnis der Parteigeschichte kann man vor der Münchner CSU-Zentrale überraschend fröhliche Menschen treffen. Exparteichef Erwin Huber etwa, oder Exgeneralsekretärin Christine Haderthauer. Sie lächeln entspannt in die Kameras. Das Landtagswahldebakel vor genau einem Jahr, das Haderthauer und Huber den Job kostete, wirkt seit Sonntag gar nicht mehr so historisch.

Was sind schon 43,4 Prozent bei der Landtagswahl gegen die mageren 42,6 Prozent an Zweitstimmen in Bayern, die der aktuelle CSU-Chef Horst Seehofer nun holte. Noch nie in 60 Jahren Bundestagswahl war die CSU schlechter als am Sonntag. Es gebe für die Schwäche seit langem "tiefere Gründe", gab Seehofer nach der CSU-Vorstandssitzung zerknirscht zu. Die politische Landschaft habe sich auch in Bayern grundlegend verändert. Die erfolgreiche Europawahl sei nicht mehr als ein Ausreißer gewesen. "Ob es gelingt, wieder nach oben zu kommen, muss man sehen."

Der Mythos der unschlagbaren "50 Prozent plus x"-Partei aus dem Süden ist tot. Statt wie üblich den Sieg der Union zu garantieren, brachte ihn die CSU in Gefahr. Von den 1,4 Prozentpunkten Verlust der Union fuhr allein die CSU 0,9 Prozentpunkte ein. Das macht es Seehofer nicht gerade leicht, die ehrgeizigen Ansprüche der CSU bei den Koalitionsverhandlungen durchzusetzen.

Noch vergangene Woche waren die Bayern mit einem umfassenden Sofortprogramm nach vorne geprescht. Die CSU forderte zwingend rasche Erleichterungen bei Einkommen- und Unternehmensteuer. Seehofer gab öffentliche Garantien ab, dass man die CSU-Forderungen durchdrücken werde, und wurde dafür von CDU-Chefin Angela Merkel schon vor der Wahl recht milde belächelt. Nun mag Seehofer nichts mehr garantieren. Er sagt nur noch, man werde versuchen, das Versprochene "so weit wie möglich zum Tragen zu bringen". Besonders entschlossen klingt das nicht.

In den Koalitionsverhandlungen mit FDP und großer Schwesterpartei will Seehofer den Schwerpunkt auch auf Gesundheitspolitik und Landwirtschaft legen, kündigte er am Montag an. Die Bauern, früher die treuesten Stammwähler der CSU, haben sich von der Partei abgewandt. Seehofer würde sie gerne wiedergewinnen. Die CSU warb vor der Wahl mit Forderungen nach einer wirksamen Milchquote, um die protestierenden Milchbauern zu besänftigen. Die FDP lehnt so eine Quote ab. Die CDU war bisher zögerlich.

Doch rechtzeitig zur Wahl hat Bundeskanzlerin Angela Merkel den Milchbauern Gespräche zugesagt und der CSU das Thema genommen. Die Milchbauern beendeten am Freitag ihren Lieferboykott, und Romuald Schaber, Protestführer und Chef des Bundesverbands Deutscher Milchviehhalter, sagt der taz, er sei froh, dass Angela Merkel Bundeskanzlerin bleibe. "Sie hat begriffen, dass sich in der Landwirtschaftspolitik etwas tun muss."

So bleibt der CSU nur beim Thema Gentechnik noch Drohpotenzial. CDU und FDP sind im Prinzip für Gentechnik in der Landwirtschaft, die CSU ist dagegen. Doch die CSU-Position zum Thema las sich schon vor der Wahl eher kuschelig. Man fordere "auf EU-Ebene" ein Recht auf "regionale Selbstbestimmung bei der grünen Gentechnik". Das klingt nicht so, als wolle die CSU wegen dieses Themas größere Konfrontationen in den Koalitionsverhandlungen riskieren.

Um dort ein großes Gewicht zu erhalten, fehlt der CSU auch noch der geeignete Verhandlungsführer. Landesgruppenchef Peter Ramsauer soll in den Verhandlungen nach dem Wunsch von Horst Seehofer eine wichtige Rolle spielen. Doch Ramsauer ist nach dem Wahldebakel angeschlagen. Auch wenn er selbst nichts Schlimmes am schlechtesten Bundestagswahlergebnis der Parteigeschichte finden mag. Es sei gelungen, die SPD in Bayern vernichtend zu schlagen, so Ramsauer. Und die CSU habe alle "Megaziele", die sie sich in diesem Jahr gesteckt hat, erreicht. Das sehen allerdings nicht alle im Parteivorstand so.

Der niederbayerische CSU-Bezirkschef Manfred Weber forderte am Montag, nicht Ramsauer, sondern Bundeswirtschaftsminister Karl-Theodor zu Guttenberg solle bei den Koalitionsverhandlungen eine starke Rolle spielen. Guttenberg ist so ziemlich der einzige CSUler, der gestärkt aus der Wahl hervorgeht. In seinem Wahlkreis holte er bundesweit das beste Erststimmenergebnis mit 68,1 Prozent.

Seehofer hält dennoch an Ramsauer fest. Am Dienstag will er den vierfachen Vater in Berlin der Landesgruppe zur Wiederwahl vorschlagen.

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