Landtagswahlen Schleswig-Holstein: Stegner verteidigt Niederlage

Der SPD-Landeschef macht die vorgezogenen Neuwahlen verantwortlich und sieht keinen Grund für einen Rücktritt. CDU und FDP wollen mit einer Mehrheit aus Überhangmandaten regieren.

Das muss er erstmal verdauen: Ralf Stegner spült die Niederlage runter. Bild: dpa

Immer nur lächeln: Ralf Stegner, SPD-Landesvorsitzender und Spitzenkandidat in Schleswig-Holstein, bewahrte in den langen Stunden des Wahlsonntags eine Prise Optimismus, zumindest solange eine Fernsehkamera oder ein Reporterblock in Sicht waren. Erst mal abwarten, ob das Ergebnis wirklich feststeht, so seine Parole. Schließlich war es der SPD vor vier Jahren nach einer ähnlichen Zitterpartei gelungen, doch noch eine rechnerische Mehrheit im Landtag zu erringen.

Gestern stand allerdings früh fest, dass es diesmal für CDU und FDP allein reicht - falls ein Gericht nichts anderes entscheidet. Nach dem amtlichen Wahlergebnis liegt Schwarz-Gelb bei den Zweitstimmen knapp hinter der Summe aller anderen Parteien. Da die CDU aber die meisten Überhangmandate gewonnen hat, stellt sie im vergrößerten Parlament (siehe Kasten) mehr Abgeordnete. "Drei Sitze - das reicht", so der amtierende Ministerpräsident und CDU-Landesvorsitzende Peter Harry Carstensen. Bereits am Vorabend hatte er erklärt: "Ich stelle fest, dass andere sogar ihr kleinstes Ziel verfehlt haben, nämlich Schwarz-Gelb zu verhindern."

Die Grünen in Schleswig-Holstein erwägen aber, ob sie gegen das Wahlergebnis klagen sollen. Es sei ein Problem, so Spitzenkandidatin Monika Heinold, dass sich das Zweitstimmenergebnis nicht mit der Sitzverteilung decke. Das Landeswahlgesetz müsse geändert werden. SPD-Landesvize Andreas Breitner schloss sich an: "Die Mandate dürfen nicht abweichen", sagte er im NDR-Fernsehen.

Schleswig-Holsteins Landtag wird vom Hohen Haus zum Großen Haus. Wegen zahlreicher Überhang- und Ausgleichsmandate vergrößert sich das Parlament von regulär 69 auf 95 Abgeordnete.

Das vorläufige amtliche Endergebnis lautet: Wahlbeteiligung 73,5 Prozent (2005: 66,5/+7,0). Davon erhalten: CDU 31,5% (40,2/

-8,7), SPD 25,4% (38,7/-13,3), FDP 14,9% (6,6/+8,3), Grüne 12,4% (6,2/+6,2), Linke 6,0% (0,8/+5,2), SSW 4,3% (3,6/+0,7).

Die Mandatsverteilung ergibt eine Mehrheit von drei Sitzen für Schwarz-Gelb: CDU (34) plus FDP (15) ergibt 49 Sitze. SPD (25), Grüne (12), Linke (5) und SSW (4) kommen auf 46 Abgeordnete.

Mindestens drei Millionen Euro mehr pro Jahr an Diäten und Fraktionsmitteln für Mitarbeiter und Büros wird die erhöhte Zahl der Mandate kosten.

Carstensen sieht das naturgemäß anders: Die Gesetzeslage sei "eindeutig". Er wolle zügig mit der FDP über eine Koalition verhandeln und eine Regierung bilden. Trotz der Sitzmehrheit und dem deutlichen Vorsprung bei den Erststimmen musste die CDU deutliche Verluste hinnehmen. Die Schlappe müsse "intern aufgearbeitet werden", sagte der CDU-Landwirtschaftsminister Christian von Boetticher dem NDR. Verloren hat die CDU in Städten und ländlichem Raum gleichermaßen, teilweise sogar auf dem Land stärker als in Ballungsräumen. So betrug in Dithmarschen-Nord der Verlust elf Prozent der Zweitstimmen, in Husum-Land sogar 12,4 Prozent. Hier wie anderswo profitierte vor allem die FDP, aber auch Grüne, Linke und SSW erzielten überall Zuwächse.

Während die FDP sich über ihr Ergebnis uneingeschränkt freuen kann - sie hat ihren Stimmenanteil mehr als verdoppelt und kann den Koalitionsverhandlungen mit der geschwächten CDU gelassen entgegen sehen - haben die anderen ihre Ziele nur teilweise erreicht. SPD, Grüne, Linke und SSW wollten Schwarz-Gelb verhindern, sei es durch eine Mehrheit für ein anderes Bündnis, sei es durch eigene Beteiligung an einer CDU-FDP-Regierung. Über rechnerisch und politisch mögliche Koalitionen war in den vergangenen Wochen viel spekuliert worden, auch am Wahlabend gingen alle Parteien noch von einer schwierigen Regierungsbildung mit mehreren Optionen aus.

Die bitterste Niederlage musste die SPD hinnehmen, die ihr historisch schlechtestes Ergebnis einfuhr. Direktkandidaten konnte sie nur in Kiel und Lübeck durchbringen. Parteichef Ralf Stegner sah gestern aber keinen Grund für einen Rücktritt. Er betonte, die Landespartei läge über dem Bundestrend. Die SPD sei auf Wahlen im Mai eingestellt gewesen, dennoch habe er im Wahlkampf gegenüber Carstensen aufgeholt. In seinem eigenen Wahlkreis Rendsburg-Süd erreichte Stegner nur 27,6 Prozent der Erststimmen.

"Wir haben einen hervorragenden Mann an der richtigen Stelle", sagte Stegners Stellvertreter Breitner. Der ehemalige SPD-Justizminister Uwe Döring sagte, es werde personelle Debatten geben. Ihn ärgere, dass Ergebnisse "schöngeredet" würden. Die Gremien der SPD wollten sich gestern Abend beraten.

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