Zwangsouting via Facebook: Verdächtige Freunde

US-Forscher behaupten in der Studie "Gaydar", dass Facebook Schwule outen kann. Wertet man die Freundesliste aus, lässt sich die sexuelle Orientierung erschreckend genau voraussagen.

Eine Analyse des Freundes-Netzwerkes bringt verborgene Informationen zutage. Bild: screenshot/fotomontage taz

Dass Facebook ist ein Paradies für Schnüffler ist, ist bekannt. Jetzt haben ehemalige Studenten des angesehenen US-Massachusetts Institute of Technology (MIT) gezeigt, wie man die sexuelle Orientierung eines Nutzers herausfinden kann, selbst wenn der diese geheim halten will.

Dafür bedienten sich die zwei Forscher einer Binsenweisheit: Willst du etwas über jemanden wissen, schau dir seine Freunde an. Sie werteten die Freundeslisten von Facebooknutzern aus und stellten fest: Männer, die unter ihren Facebookfreunden viele bekennende Homosexuelle haben, sind aller Wahrscheinlichkeit nach schwul.

Ihrer Studie haben sie den Titel "Gaydar" gegeben, ein Kofferwort aus "gay" und "radar". Der Vorgang ähnelt einer Rasterfahndung. Vorangehenden Studien zufolge haben Schwule in ihrem Freundeskreis einen höheren Anteil an Schwulen, als es heterosexuelle Männer haben. Unter dieser Prämisse schauten sich Carter Jernigan und Behram Mistree 4.080 Facebook-Profile von MIT-Studenten an.

Sie ließen das Programm "Arachne" automatisch die Profile nach Angaben zu Geschlecht und zu sexueller Orientierung durchforsten. Dann ermittelten sie einen Schwellenwert: Homosexuell ist, wer in seiner Freundesliste mehr als 1,89 Prozent bekennende schwule Freunde hat. Ihre Ergebnisse überprüften sie an eigenen Bekannten, von denen sie wussten, dass sie schwul sind. Und siehe da: in allen 20 Fällen lag die statistische Schätzung richtig.

So weit, so simpel. Vom Freundeskreis einer Person Rückschlüsse auf sie selbst zu ziehen ist in der realen Welt normal, das verbucht man gern unter "Menschenkenntnis". Der pikante Unterschied: die digitale Welt stellt Informationen als digitale Daten zur Verfügung. Und die eignen sich dazu, sie mit Computerprogrammen statistisch auszuwerten. Statistik gibt diesem Ratespiel eine scheinbare wissenschaftliche Validität. Wer sonst nur munkeln konnte, ob eine andere Person gleichgeschlechtlich liebt, kann sein Getratsche jetzt mit Statistik unterlegen.

Die Autoren räumen ein, nicht alle Angaben, die Nutzer bei Facebook machen, sind verlässlich. Abgesehen davon hat die Studie ein wesentliches Manko: Sie belegt Korrelation, nicht Kausalität. Das heißt: Bloß weil jemand viele schwule Freunde hat, ist er nicht notwendigerweise schwul. Die Studie sagt nur, dass die zwei Umstände (viele schwule Freunde, eigene Homosexualität) oft gleichzeitig auftreten. Klartext: Es bleibt Getratsche.

Die Studie zeigt jedoch erneut: Die Privatsphäre ist im Internet unter Beschuss. Einer Dimap-Studie zufolge nutzen 28 Prozent der deutschen Arbeitgeber Netzwerke wie Facebook, um potenzielle Arbeitnehmer auszuchecken. Viele Nutzer gehen mit privaten Angaben im Netz deswegen ohnehin schon sparsam um. Aber "Gaydar" gewinnt private Infos aus den Angaben der Freunde.

Ähnliche Auswertungen lassen sich nach Ansicht der Autoren nicht nur bei Facebook, sondern auch anderen sozialen Netzwerken einrichten. Und man kann auch andere Fragen betrachten, als die nach der Sexualität. Das öffnet Diskriminierung Tür und Tor. Arbeitgeber können Jobbewerber im Netz auf vermeintliche Gesinnung oder Sexualität prüfen und entscheiden darüber, ob sie für die Firma geeignet sind.

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