Handball-Bundesliga: Wie in einer anderen Welt

Der HSV Handball besiegte die SG Flensburg-Handewitt in einem Klasse-Spiel deutlich und zementierte den Klassen-Unterschied. Für die junge Flensburger Mannschaft kann das Ziel in dieser Saison nur Platz vier lauten.

Zurück auf den Boden der Tatsachen: Wie hier der Flensburger Lasse Svan Hansen von Pascal Hens schmerzhaft erfährt, waren die Hamburger nicht nur körperlich überlegen. Bild: Oliver Ruhnke

Da kauerten sie eine halbe Stunde nach Spielschluss in einer Ecke der Color Line Arena und leckten die Wunden - drei der sieben Dänen der SG Flensburg-Handewitt, die gerade mit 32 : 37 (15 : 19) beim HSV Hamburg verloren hatte. Man musste des Dänischen nicht mächtig sein, um das Bild zu verstehen: Die Handballer aus dem Grenzland sind auf dem Boden der Realität angekommen.

Noch vor vierzehn Tagen schien der Verein, der lange Zeit mit dem THW Kiel die Deutschen Titel unter sich ausgemacht hat, aus einer der größten Krisen der Vereinsgeschichte gestärkt hervorgegangen zu sein. Trotz der mit dem neuen Management verabredeten Gehaltseinbußen, die die drohende Insolvenz abwendeten, hatte es Trainer Per Carlèn geschafft, die erstmals seit langem nicht für die Champions League qualifizierte Mannschaft so zu motivieren, dass sie mit 10 : 0 Punkten in die Saison startete.

Doch dann folgten eine unnötige Niederlage in Lübbecke und eine unerwartet deutliche Klatsche im Heimspiel gegen den THW Kiel. Und auch am Samstagabend in Hamburg drohte zwischenzeitlich sogar eine weitaus höhere Niederlage. "Kiel und Hamburg sind im Augenblick eine andere Welt", erkannte Per Carlèn die Tatsache an, nur noch die dritte Geige im Norden zu spielen.

Phasenweise spielen die Flensburger immer noch den schönsten Handball der Liga, etwa wenn Rechtsaußen Lars Christiansen, der Samstag sein 600. Pflichtspiel für den Förde-Club bestritt, mit schnellen, verwirrenden Kombinationen freigespielt wird und den Ball mit feinem Händchen um den Torwart herumdreht. Oder wenn ihr mit sechs Treffern bester Werfer Thomas Mogensen ein Abspiel antäuscht und stattdessen trocken verwandelt.

Aber um gegen die körperlich überlegenden Hamburger spielerisch bestehen zu können, machte die junge Mannschaft zu viele technische Fehler im Aufbau. Erzwungen durch die offensive HSV-Deckung, der Trainer Martin Schwalb mit auf den Weg gegeben hatte, "Druck auf die Halbpositionen zu machen".

Symptomatisch für das Wechselbad der Gefühle war wieder einmal die Leistung von Trainersohn Oscar Carlèn. Wenn es läuft, trifft er nach Belieben - um einen Augenblick später wie ein trotziger Schuljunge in zwei Gegner zu rennen.

Während Flensburg gezwungen ist, talentierte Spieler wie Carlèn zu entwickeln, hat der HSV vor der Saison in absolute Weltklasse investiert. Der kroatische 2,03-Meter-Hüne Igor Vori zog als Kreisläufer alle Kräfte der traditionell starken Flensburger Abwehr auf sich. Die Folge waren acht Siebenmeter, die Hans Lindberg verwandelte, und viel Platz für Linksaußen Toto Janssen, der acht Tore warf. Da der HSV sein hohes Tempo über die gesamte Spielzeit durchhielt und fast fehlerlos spielte, konnte Torwart Jogi Bitter nach Spielschluss entspannt sagen: "Das war heute echt souverän, wir haben die Flensburger ohne Probleme geschlagen."

Nach dieser Glanzleistung scheint der als einziger Bundesliga-Verein noch verlustpunktfreie HSV in diesem Jahr tatsächlich reif für den Titel zu sein. Den Flensburgern bleibt dagegen nichts anderes übrig, als den Umbruch in Ruhe weiter zu verfolgen. Platz vier wäre in dieser Saison ein großer Erfolg. "Mit jungen Spielern großen Kampf liefern" - so hatte Per Carlèn im April beim letzten Gastspiel in Hamburg das neue Markenzeichen beschrieben. Dafür haben sie auch Samstag wieder beste Werbung gemacht.

Einträchtig lobten beide Mannschaften nach dem Spiel die Atmosphäre der mit 13.171 Zuschauern erstmals in dieser Saison ausverkauften Halle. "Früher waren es ja oft Auswärtsspiele, wenn wir in Hamburg gegen Kiel und Flensburg gespielt haben", sagte HSV-Trainer Martin Schwalb. "Davon ist nichts mehr zu sehen. Wer bei der Kulisse nicht mit vollem Herzen dabei ist, verfehlt seinen Job."

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