Übernahme: Volkswagen könnte Karmann retten

Eigentümer und Konzern verhandeln über einen Verkauf. Strittig sind der Kaufpreis und mögliche Überkapazitäten bei VW. 1.600 Mitarbeiter könnten ihre Jobs verlieren, wenn der Deal nicht zustande kommt.

Ein Bild aus glücklicheren Tagen der Kooperation zwischen Karmann und VW: Karmann Ghia-Sportwagen laufen 1960 in Osnabrück vom Band. Bild: dpa

Das Schicksal des Osnabrücker Automobilzulieferers Karmann ist weiter in der Schwebe. Am Wochenende ist bekannt geworden, dass Volkswagen konkret über einen Kauf des insolventen Traditionsunternehmens verhandelt. VW und die drei Eigentümerfamilien haben offenbar deutlich unterschiedliche Vorstellungen vom Kaufpreis. Für Osnabrück wäre das endgültige Aus bei Karmann ein schwerer Schlag.

Der 14. Platz im bundesweiten Wirtschaftsranking der Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft dürfte eine schwacher Trost sein, wenn die 150.000-Einwohner-Stadt Karmann verliert. Die Firma ist der größte Arbeitgeber in der Region. 1.600 Arbeitsplätze stehen insgesamt auf dem Spiel. Gingen sie verloren, stiege die Arbeitslosenzahl Osnabrücks um zwei Prozentpunkte auf knapp elf Prozent.

Die Lage des Unternehmens ist kritisch. Seit Juni läuft ein Insolvenzverfahren. 800 Mitarbeiter sollen ohnehin entlassen werden. Ohne frisches Geld droht schon am 1. November die endgültige Schließung, sodass auch die übrigen 800 gehen müssten.

Die Firma Karmann ist vor allem durch den Karmann Ghia, einen Sportwagen für kleine Leute auf Basis des VW-Käfer, bekannt geworden. Von dem Modell wurden zwischen 1955 und 1974 mehr als 400.000 Stück gebaut.

Das Unternehmen hat Standorte nicht nur in Deutschland, sondern auch in den USA, Mexiko, Portugal und Japan. Weltweit beschäftigt es 8.000 Mitarbeiter. Einen Ruf hat es sich insbesondere durch den Bau von Cabriolets erarbeitet.

Neuestes Produkt ist das im Auftrag der EWE AG produzierte Elektroauto E3 - ein angeblich alltagstauglicher und Straßen-zugelassener batterieelektrischer Personenwagen.

Nach Informationen der Neuen Osnabrücker Zeitung befasst sich der Vorstand von VW am heutigen Dienstag mit einem möglichen Kauf des Unternehmens. Das letzte Wort werde der Aufsichtsrat am 11. November haben. Unter Berufung auf gut informierte Kreise spricht das Blatt von einer Entscheidung "hopp oder top": Entweder wird Karmann in den VW-Konzern eingegliedert oder der Autoriese lässt die Finger von Karmann.

Medienberichten zufolge wird auf höchster Ebene verhandelt. Auch der Chef des VW-Konzerns, Martin Winterkorn, sei beteiligt. Die Karmann-Eigentümer wollen demnach einen mittleren zweistelligen Millionenbetrag haben, VW aber nur einen niedrigen zweistelligen Betrag bezahlen. Nach Informationen der Neuen Osnabrücker Zeitung verlangen die Eigentümer 65 Millionen Euro; das Nachrichtenmagazin Der Spiegel berichtete von knapp 100 Millionen Euro. Angeblich soll diese Summe nur zu Beginn der Verhandlungen im Raum gestanden haben.

Die Karmann-Eigentümer begründen ihre Forderung nach Informationen der Nachrichtenagentur AP damit, dass sie in jüngerer Zeit viel investiert hätten, zum Beispiel 125 Millionen Euro in eine Lackiererei. Die Restschuld betrage 25 Millionen Euro. "Das sind die Summen, die die Gesellschafter beglichen sehen wollen, wenn es eine Transaktion gibt", hieß es unter Berufung auf mit der Sache vertraute Kreise. Bei VW wird offenbar die Höhe des Kaufpreises diskutiert. Außerdem gibt es Befürchtungen, bestehende Fertigungskapazitäten könnten hausintern Konkurrenz bekommen.

Darüber, dass Volkswagen Karmann übernehmen könnte, wird schon länger spekuliert. Im Juli hatte ein Entwicklungsauftrag von VW für Karmann in zweistelliger Millionenhöhe für Aufsehen gesorgt. Kurz davor hatte Karmann aufgehört, komplette Fahrzeuge zu bauen. Osnabrück liegt im Wahlkreis des niedersächsischen Ministerpräsidenten Christian Wulff (CDU) - es lag die Vermutung nahe, dass Wulff seinen Einfluss bei VW genutzt haben könnte, um Karmann eine Gnadenfrist zu verschaffen. Kurz darauf gab es Gerüchte, die Landesregierung spreche mit der VW-Spitze über einen Einstieg bei Karmann.

Aktuell leidet das Unternehmen unter ausstehenden Zahlungen. "Karmann steht aufgrund der sehr angespannten Liquiditätssituation mit dem Rücken zur Wand", sagte Pietro Nuvoloni, der Sprecher des Insolvenzverwalters Ottmar Hermann. Karmann habe kaum noch Aufträge in nennenswerter Höhe. Mehrere Autohersteller hätten Rechnungen in insgesamt zweistelliger Millionenhöhe noch nicht bezahlt. Sollten sie in kürzester Zeit beglichen werden, hätte das Unternehmen zumindest "eine kleine Verschnaufpause", wie Nuvoloni sagte.

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