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Archiv-Artikel

„Ein Glücksspiel“

DISKUSSION Die Aussichten des wissenschaftlichen Nachwuchses werden mal näher beleuchtet

Matthias Neis

■ 39, forschte als Soziologe selbst jahrelang in der Wissenschaft und arbeitet heute für die Gewerkschaft ver.di.

taz: Sind die Bedingungen für junge WissenschaftlerInnen schlechter geworden – oder waren sie nicht schon immer schlecht, Herr Neis?

Matthias Neis: Beides ist richtig. Schon Max Weber hat 1918 gesagt: Die wissenschaftliche Karriere ist wie ein Glücksspiel. Das stimmt auch heute noch. Aber in den letzten zehn Jahren ist der Anteil der Befristungen von einem hohen auf ein sehr hohes Niveau angestiegen: Über 85 Prozent der wissenschaftlichen MitarbeiterInnen sind heute temporär beschäftigt.

Das soll ja den Wettbewerb und die Exzellenz vorantreiben.

Dazu würde ich gerne mal einen wissenschaftlichen Beweis sehen. Der Antrieb der WissenschaftlerInnen ist nicht die Verlängerung des Vertrages, sondern ihre Begeisterung für das Thema. Und das Argument entfällt sofort, sobald von Professuren die Rede ist.

Sollen also ProfessorInnen befristet oder der Mittelbau unbefristet forschen?

Die Befristung hat ihren Platz – zum Beispiel für Doktoranden. Danach aber, in der Post Doc-Phase, ist auch der Mittelbau mit dauerhaften Stellen zu versehen, weil er dann auch Daueraufgaben wahrnimmt und für die Funktionsfähigkeit der Hochschule wichtig ist.

Wie passt diese Idee der Entfristung mit der stark projektbezogenen Forschung zusammen?

Nur eingeschränkt. Der Anteil an Drittmittelfinanzierung ist enorm gestiegen, was vor allem daran liegt, dass auch immer mehr öffentliche Mittel auf diesem Wege vergeben werden. Wir müssen erreichen, dass der Anteil der Grundfinanzierung wieder steigt. Alles andere ist nicht forschungslogisch – Qualität braucht Zeit.

Sind die Juniorprofessuren Teil des Problems oder der Lösung?

Das kommt darauf an, wie sie ausgestaltet sind. Die Frage ist: Ist damit eine dauerhafte Perspektive verbunden? In der Praxis gilt das leider für die wenigsten Juniorprofessuren. Aber bevor wie über die Personalstruktur reden, müssen wie uns über Mindeststandards verständigen: So sollte kein Vertrag kürzer als zwölf Monate laufen – im Moment gilt genau das aber für mehr als die Hälfte aller Stellen.

Macht es das für Frauen schwerer als für Männer?

WissenschaftlerInnen arbeiten noch stärker in Teilzeit – und zwar oft nicht freiwillig. Je näher man an den sicheren Hafen der Professur kommt, umso weniger Frauen kommen weiter. Das kann man durch funktionierende Frauenförderungen und eine veränderte Kultur in den Fächern ändern. Und die ändert sich nur, wenn Frauen in Entscheidungspositionen kommen.  Int.: JAN ZIER

Podiumsdiskussion: 18 Uhr, Uni Bremen, GW2, Raum B3850