"Baader Meinhof Komplex" in der ARD: Simply the Best of RAF

Uli Edels "Baader Meinhof Komplex" kommt als Zweiteiler nicht anders daher als der Kinofilm. Eine Idee hat er nicht. Er zeigt die RAF, wie Stefan Aust sie sah (So. und Mo., 20.15 Uhr, ARD).

Hier stellen die Schauspieler die Schleyer-Entführung nach. Bild: dpa

Der Film hat 20 Millionen Euro gekostet, der teuerste deutsche Film aller Zeiten. 6.300 Komparsen, 140 Szenen, 123 Sprechrollen. Nur Superlative. Und natürlich treten, bis in die klitzekleinste Nebenrolle, nur Schauspieler auf, die bekannt, gut und teuer sind - von Martina Gedeck bis Bruno Ganz, von Hannah Herzsprung bis Moritz Bleibtreu.

Der "Baader Meinhof Komplex", der 2008 ins Kino kam, sollte mehr als ein Film sein. Er war, genauso wie "Der Untergang", werbestrategisch als nationales Diskursereignis konzipiert. Bei "Anne Will" ließen sich liberale Exminister beschimpfen. In den Feuilletons wurde ordnungsgemäß gestritten - allerdings eher über Ästhetik und ohne echten Bekenntnisfuror. Das war schon ein ungünstiges Zeichen für dieses Vorhaben. Der Versuch von Bernd Eichinger und Stefan Aust, dem Autor der Buchvorlage und ehemaligen Spiegel-Chefredakteur, mit medialer Macht eine nationale Debatte zu inszenieren, blieb auf halber Strecke liegen. Ignes Ponto, die Witwe des von der RAF ermordeten Jürgen Ponto, prozessierte erfolglos gegen die voyeuristische, faktisch falsche Darstellung der Tat in dem Film. Jemand warf einen Farbbeutel auf Austs Villa. Mehr nicht. Die Zeiten, als Autonome Podiumsdiskussionen sprengten oder Filmkopien klauten, sind vorbei. Das Label Terrorismus-Trauma, bislang eine verlässliche Größe in der Bedeutungs- und Identitätsproduktion, scheint nicht auf Knopfdruck zu funktionieren.

Der zweiteilige TV-Film ist der Kinofassung ziemlich ähnlich. Sehr ähnlich. Er ist nur knapp 10 Minuten länger. Eigentlich ist es der gleiche Film. Von einer TV- und einer Kinofassung zu sprechen, ist ein ziemlich kühner Werbegag. Produzent und Drehbuchautor Bernd Eichinger behauptet unverdrossen, dass es sich um etwas geradezu Neues handelt: nämlich ein Werk mit einer "ruhigeren Erzählstruktur". So ist es nicht.

Auch in der TV-Fassung sieht man die gleiche Abfolge von Gewalt- und Massenszenen. Die Schauplätze wechseln hektisch, und es gibt Action, Action und Action. Polizisten prügeln die Anti-Schah-Demonstration am 2. Juni 1967 noch etwas ausführlicher zusammen. Endlos hämmern Schläge und Tritte auf blutüberströmte Demonstranten nieder. Später explodieren Häuser, Fenster bersten, Autos fliegen in die Luft, US-Soldaten winden sich tödlich verletzt am Boden, Polizisten prügeln, Terroristen schießen, Opfer sterben. Es knallt, es raucht und scheppert. Und wenn Alexandra Maria Lara als RAF-Terroristin Petra Schelm nach rasant inszenierter Flucht mit einem Schuss in der Stirn umfällt, gibt das ein recht malerisches Bild. So jagt der "Baader Meinhof Komplex" von Kugelhagel zu Kugelhagel, von einer atemlos verlesenen Kommandoerklärung zu nächsten, von Leiche zu Leiche. Gudrun Ensslin (Johanna Wokalek), stets mit kajalstiftschwarzen Augen, ist eine mal kühle, mal geifernde Killerin. Und wie schon im Kino fragt man sich: Warum das alles?

Weil es so war, sagen die Macher. Laut Stefan Aust ist alles "so authentisch, wie es in einem Spielfilm möglich ist". Die Autos, die Uniformen, jedes Detail, jedes Einschussloch so genau wie möglich. Man hat sogar das Originalklo aus Stammheim verwendet. Nur in der Szene, in der Jürgen Ponto von Mohnhaupt erschossen wird, stimmt offenbar nicht viel. So ernst ist es mit dem Authentischen dann doch nicht.

Die einzige Idee dieses Films ist diese Art von Vulgärnaturalismus, angereichert mit ein bisschen Bonnie-and-Clyde-Chic. Genau so spielen auch Akteure, die fast alle blass und konturlos bleiben. Moritz Bleibtreu sagt als Andreas Baader ganz oft "Fotze", brüllt bei jeder Gelegenheit, rast mit jedem Auto, ballert mit jeder Pistole. Was fehlt, ist eine zarte Andeutung, was diese Figur antreibt. Dafür sieht Bleibtreu Baader bewundernswert ähnlich. Die Figuren sind wie Abziehbilder, schematisch und flach. Sie treten, wie Stipe Erceg als Holger Meins, kurz auf, sagen zwei, drei Sätze, man bewundert die Maske, die wirklich prima aussieht. Dann sind sie tot, nächste Szene.

Nur Martina Gedeck darf Ulrike Meinhof als gefallenen, zaudernden Engel spielen. Nur sie hat, als einzige von 123 Sprechrollen, eine Fallhöhe. Nur sie hat einen Konflikt, nämlich was sie als in den Untergrund abgetauchte Terroristin mit ihren Kinder machen soll. Gedecks Meinhof ist das wandelnde Unglück, von der ersten Szene 1967 am Sylter Strand mit untreuem Ehemann bis zum Freitod in Stammheim 1976, der in angedeuteter christlicher Leidenspose verklärt wird.

Das Gegenbild zu Meinhof, der gescheiterten Moralmadonna, ist Brigitte Mohnhaupt (Nadja Uhl), vital, kalt und zynisch. Das ist die Bebilderung der auch von Aust entworfenen Legende, dass es sich nur bei der ersten Generation der RAF um dramenfähiges Personal handelte. Danach kamen, in dieser Version, nur dumpfe Killer.

Stefan Aust tritt als Figur, gespielt von Volker Bruch, auch selbst auf. Schon in der zweiten Szene: ein junger, kinderfreundlicher Journalist. Später rettet er die Meinhof-Kinder davor, in einem palästinensischen Lager aufzuwachsen. So war es wohl. In der TV-Fassung gibt es nun eine Szene, die Austs Heldenrolle erst in ganzer Größe erstrahlen lässt. Baader stürmt, mit Knarre und Mordabsicht, Austs Wohnung, und nur per Zufall entkommt der gute Mann diesem terroristischen Anschlag. Ob es sich so dramatisch zugetragen hat? Von Baader sind Gegendarstellungen bekanntlich nicht zu erwarten. Was an Ideen fehlt, ist an Eitelkeit jedenfalls vorhanden.

Wer einen sinnlichen Eindruck von Baader, Meinhof, Ensslin und Raspe haben will, kann sich ein paar ihrer Statements in Stammheim online anhören (siehe Hinweis am Ende des Textes): Meinhof fahrig und gebrochen, Baader seltsam normal, Ensslin schwäbelnd streng. Das ist aufschlussreicher als dieser Kostümfilm. Und kürzer.

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