: Die Mutter der Heimerotik
HELDEN Das Leben von Beate Uhse ist ein idealer Stoff für einen Heimatabend, dachte sich die Landesbühne Schleswig-Holstein und feiert die Flensburger Ehrenbürgerin mit der musikalischen Revue „Beate U.“
Pornos gucken und das auch noch öffentlich zugeben: Ist das krank? Wie möchte eine nackig gemachte Frau eigentlich wo von einem Mann angefasst werden? Alles am liebsten mit dem Mund machen beim ehelichen Tagesausklang: Steht’s so im Beischlaf-Knigge? Fragen sie Frau Uhse, die Mutter aller Heimerotik.
Leicht verklemmt formulieren das drei Darsteller vor dem noch geschlossenen Vorhang. Die Botschaft ans Publikum: Hier geht’s um eure Fantasie. Natürlich sind wir alle locker drauf, aber einfach mal über Sex reden wie über das Kochen, ist trotz durchsexualisierter Multimediawelt eher unüblich.
Mit der Uraufführung von „Beate U.“ feiert die eher biedere Landesbühne Schleswig-Holstein die einst vom Tabu auratisierte Ehrenbürgerin der Stadt Flensburg. Da ihr Sex-sells-Imperium dort der größte Gewerbesteuerzahler war, durfte sich Beate Uhse einiges erlauben – und für Sexspaß ohne Fortpflanzungsfolgen kämpfen. Als Mitglied im örtlichen Tennisverein war sie allerdings unerwünscht, musste sich auch über 2.000 Strafanzeigen des „gesunden“ Volksempfindens erwehren.
Schlaglichtartig, mit teilweise aus dem ZDF-Film „Beate Uhse – Das Recht auf Liebe“ bekannten Szenen, wird Biografisches vermittelt. Ein iljarichternder Conferencier führt mit einer Co-Moderatorin durch den Abend, der als bundesrepublikanische Gründerzeitrevue inszeniert ist, mit den Schlagern der Zeit prunkt, die in lustig collagierten Medleys, meist aber bieder gesungen und kreuzbrav arrangiert dargeboten werden.
Was macht diese Aufführung zum Heimatabend? Natürlich sprachlicher Lokalkolorit: „Moin“. Wenn die Worte „Schleswig-Holstein“ fallen, dann immer in Verbindung mit einem Adjektiv wie „wunderschön“. Häufig werden Orte des Bundeslandes erwähnt, schließlich ist eine Liebeserklärung zu hören.
Autor Peter Schanz verschweigt aber nicht, dass die aus Pommern stammende Uhse wie andere Flüchtlinge auch nach dem 2. Weltkrieg im Norden nicht willkommen war. „Wir sind voll“, grummelt eine Bauersfrau-Darstellerin.
Auch „U.“ selbst wird kritisch verehrt. Dass sie leidenschaftlich in der Wehrmachts-Luftwaffe für den Nationalsozialismus unterwegs war, bleibt allerdings Randnotiz. Lob gibt’s dafür, lebensbedrohliche Abtreibungspraktiken verhindert und Frauen vor ungewollten Schwangerschaften geschützt zu haben.
In Flensburg wurde 1962 der erste Sexshop eröffnet, später bezeichnet sich die Beate Uhse AG als weltweiter Marktführer im „erotischen Zubehörhandel“. Da stehen dann Schauspieler im Mutti-Outfit, singen von der „Sexmachine“ und lassen sich Dildos von der siegessicheren Bubiköpfin kredenzen. Da hat die Uhse bereits Sexaufklärung und Frauenemanzipation hinter sich gelassen, ist nur noch Unternehmerin.
„Ich bin keine Geschmacksrichterin“, sagt die Bühnen-Uhse, gibt den Kunden, was sie wollen. Und kann wenig mit der Kritik einer Talkshow-Szene anfangen, als „PorNO“-Zicken ihr vorwerfen, Sex und Erotik zu einer Konsumware degradiert zu haben.
„Beate U.“ wird präsentiert als Ausgeburt des Wirtschaftswunders, tüchtig, angstfrei, mutig. „Ich bin Preußin im Kopf, in der Seele ein freies Mädchen, im Herzen ein Kaufmann.“ Wenn die Uhse-Darstellerin zur „My way“-Melodie ihr Leben für die Ehehygiene resümiert, in Plastik eingeschweißte Nacktkörper Sexstellungen erklären, Zweideutigkeiten eindeutig gemacht werden – ist kein Widerspruch im Parkett zu hören. Nur rhythmisches Klatschen als begeisterte Zustimmung.
Liberales Völkchen? Die Schleswig-Holsteiner drücken ihre Pornoproduzentin ans Herz. Demnächst wieder in Flensburg, Schleswig, Husum, Heide, Neumünster. JENS FISCHER
Nächste Aufführungen: 21. 2., 20 Uhr, Stadttheater Heide; 26. 2., 19.30 Uhr, Theater Flensburg; 3. 3., 16 Uhr, Slesvighus Schleswig; 5. 3., 20 Uhr, Husumhus Husum