: Zufällig rückwärtsgewandt
GRUNGE-MONSTER Viel gelobt wurde vor fünf Jahren das Debüt „Frozen Souls“ der Noise-Grunge-Rocker Navel. Der große Durchbruch aber blieb ihnen bis heute verwehrt. Heute Abend präsentieren die lauten Schweizer nun ihr drittes Album „Loverboy“ im Hafenklang
VON FRANK SCHÄFER
Seit zehn Jahren lassen Navel ihr faltiges, wettergegerbtes, prähistorisches Noise-Grunge-Monster in die Welt hinauskrakeelen. Laut genug war es von Anfang an – entsprechend schnell wurde die Öffentlichkeit aufmerksam. Nach ihrem vielgelobten Debütalbum „Frozen Souls“ (2008) begleiteten sie Wolfmother und Queens of the Stone Age auf Tour, namhafte Festivals folgten, das Orange Blossom, Montreux, das SXSW in Austin, Texas. Aber der wirkliche Durchbruch ließ dennoch auf sich warten. Navel galt immer als die Band, von der man noch viel hören würde. Jetzt erscheint ihr drittes Album „Loverboy“ und eine Headliner-Tour durch die Schweiz und Deutschland führt sie auch ins Hamburger Hafenklang.
Gitarrist und Sänger Jari Antti klingt ein bisschen verdrossen, wenn er zurückblickt. „Es gibt diese Visions-Bands, die machen ein Album, das ist super produziert, und haben sofort Erfolg damit. Und ich mache das zehn Jahre und spiele immer noch in kleinen Clubs, manchmal sogar in einem Plattenladen.“
Wenn man die Underground-Attitüde so exponiert, wie Navel es gern tun, darf man sich allerdings auch nicht wundern. Er stimmt mir zu. „Ich fände es nur einfach schön, wenn man alles selber macht und trotzdem irgendwann mal Erfolg hätte. Ich glaube, dann hat man es sich doppelt verdient, dann hat das Ganze wirklich einen Wert, mehr, als wenn man es einfach so bekommt.“
Navel sind in der komfortablen Lage, im eigenen Studio aufnehmen und somit tatsächlich alles selbst machen zu können, vom Mixen bis zum Mastering. Dennoch versteht sich Jari Antti als Live-Künstler. „Ich empfinde es eher als Krampf, im Studio zu sein, für mich ist das nicht das wirkliche Musikmachen. Man hat zu viele Möglichkeiten. Trotzdem, finde ich, ist das neue Album immer noch ein Kompromiss. Es hat noch nicht die Dynamik einer Siebziger-Jahre-Produktion.“
„Loverboy“ klingt denn auch auf eine sympathische, fast schon zufällige Weise rückwärtsgewandt. Ohne aufgesetzte Vintage-Patina, ohne Kalkül. „Ich mache das eher nach Gefühl, ich bin ein altbackener Typ. Ich konnte nie viel mit neuerer Musik anfangen. Ich bin eigentlich immer wieder zurückgekommen auf die Plattensammlung meines Vaters, habe die alten Klischeesachen gehört. Das alte Blueszeug und so.“
Mit Massimo Tondini hat er sich jetzt einen weiteren Gitarristen und Keyboarder in die Band geholt, der den Sound hörbar erweitert, nicht zuletzt auch stilistisch diversifiziert. Die mächtigen Noise-Geröllklumpen, die bei ihrem vorherigen Album „Neo Noir“ noch ziemlich lange Schatten warfen, sind längst nicht mehr so massiv und zerklüftet, bisweilen hat man sie gleich ganz aus dem Weg geräumt. Die unterschiedlichen Aggregatzustände des Fuzzrock bleiben zwar Navels Referenzgröße, aber sie graben auf „Loverboy“ noch offensichtlicher nach den Roots, legen urbanen Blues ebenso frei wie sahnigen Westcoast-Rock oder ganz frühen Rock’n’Roll. Und trotzdem können sie kaum als Americana-Band durchgehen, das Distortion-Pedal bleibt in Trittweite.
Was auf der Bühne passiert, steht auf einem ganz anderen Blatt. Um es für Navel weiterhin spannend zu machen, verstärken sie sich für die Tour noch mit einem zusätzlichen Percussionisten. Es geht ihnen um originäre Live-Interpretationen, und sie wollen auch Raum lassen für Jams. „Wir wissen jetzt noch nicht genau, wie, was, wann. Das passiert alles sehr spontan.“ Das setzt allerdings auch eine gewisse Eingespieltheit voraus. Blindes musikalisches Verstehen? „Nö, eigentlich nicht. Wir machen es einfach, und manchmal haben wir das Glück, dass es klappt. Aber das ist auch das Schöne. Ein bisschen unprofessionell soll man schon bleiben.“
■ Do, 14. 2., 21 Uhr, Hafenklang, Große Elbstraße 84