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Schluss mit der Wortklauberei, wollen wir uns daran beteiligen, gegen die Bedrohung der zivilisierten Welt (und nicht nur gegen den "Feind der Amerikaner"!) vorzugehen oder nicht. Wenn ja, da wo nötig die Rahmenbedingungen ändern und los.
Wie dieser Einsatz dann genannt wird, ist völlig zweitrangig. "Neubewertung", "Konflikt", "Krieg oder nicht Krieg", "nicht international" = alles Haarspalterei, bürokratischer Unfug und - verlorene Zeit.
"Das wichtigste Motiv für die Neubewertung: Für einen nichtinternationalen bewaffneten Konflikt gelten andere Regeln als für eine Friedensmission. ... Ein Vorgang wie der Angriff auf zwei Tanklaster nahe Kundus, bei dem zahlreiche Zivilisten starben, wäre dann vermutlich nicht mehr Anlass für einen Untersuchungsausschuss, sondern würde für unvermeidlich gehalten."
Genau das ist des Pudels Kern, und genau darum bin ich gegen eine Neubewertung. Ich bin dagegen, es uns plötzlich allzu einfach zu machen und unsere Kräfte weiter zu entfesseln.
Von Anfang an verwahren wir uns dagegen, am Feldzug mitzumischen. Doch wollten wir nach dem "Stich ins Wespennest" die verängstigten Menschen Nordamerikas nicht im Stich lassen. Militärisch halten wir den Verbündeten sehr effektiv den Rücken frei. Unsere primären Ziele waren und sind jedoch Aufbau von Polizei und Zivilgesellschaft.
Die US-Amerikaner haben große Angst vor weiteren Terrorakten. Die Afghanen jedoch hatten in 30 Jahren 4 Mio. Getötete zu verbuchen. Zu den Versehrten habe ich keine Zahl.
Taliban sind sehr verschiedene paschtunische Gruppierungen und nicht grundsätzlich unsere Feinde. Der Feind der Supermacht heißt Al Qaida. Wer hat Bin Laden aufgebaut im "kalten" Krieg? Die CIA. All das muß auch berücksichtigt werden.
@Kati,
eine kleine und radikale Minderheit, die ständig Ihre Argumente wiederholt und auf ihnen beharrt, kann ich nicht ausmachen.
Sehr wohl ausmachen kann ich aber eine kleine, aufgeklärte Minderheit, die weiß, dass Afghanistan nur ganz kurz um die Ecke liegt, und die mit guten Argumenten zu diesem Einsatz steht.
Ausmachen kann ich aber auch eine "volksnahe" Bevölkerungsschicht mit kurzer und nach hinten gerichteter Sichtweise, welche über keine wirklichen Argumente verfügt und ausschließlich mit polemischen Forderungen am Stammtisch und in Rentnerforen gebetsmühlenartig den sofortigen Abzug "ihrer Jungens" fordert.
Diesen Leuten ist es dabei völlig egal, wenn nach dem Abzug dort erst einmal Zigtausende Zivilisten, Frauen und Kinder massakriert werden, alles bisher Erreichte -wie Schulen- zerstört und jedes zarte Pflänzchen der Aufklärung ein für alle Mal zertreten wird, "ist doch nicht unser Problem", auch die Gefahr, dass die pakistanischen Taliban Zugriff auf Atomwaffen erhalten können, ist ihnen scheinbar völlig gleichgültig. Für diese Menschen hört ihre kleine heile Welt ganz offensichtlich an der deutschen Grenze auf, wenn nicht schon früher.
Letztendlich ist diese gesamte Wortklauberei zynisch
und würdelos, welche Guttenberg angesichts der
zahlreichen Opfer im Zusammenhang mit dem Angriff
auf die beiden Tanklaster weiterhin betreibt.
Seine Stellungnahmen, auch im Fernsehen, waren
ausnahmslos dominiert von Eitelkeit und Taktik,
sowie vom Auftrag, das Gesicht zu sein für die
Weiche - Kekse - Kampagne der Mutti.
Viele scheinen schon jetzt zu vergessen, welche
Katastrophe die Bush - Männer weltweit hinterlassen
haben, egal, ob Aussen - oder Innenpolitisch, und
das eines ihrer wesentlichen Instrumente die
vollkommen amoralische, vorbehaltlose Aneignung
des Sprachraumes, sowie die situativ bezogene
Erlangung und Erhaltung der argumentativen Dominanz
über lange Strecken war.
Wir sollten endlich versuchen, aus der jüngeren
und jüngsten Geschichte zu lernen, und uns klar
machen, das wir uns solcherart machtgierige
Propaganda gesellschaftspolitisch nicht mehr leisten
können, denn, auch das dürfte sich erwiesen haben,
niemand hat mehr für die Ausbreitung und Etablierung
von fundamentalistischen und terroristischen
Inhalten getan, als die Bush - Administration.
Um im Hinblick auf den Afghanistan - Einsatz weiter
zu kommen, muss dringend Transparenz erzeugt werden,
und das kann nur durch eine Öffnung des Horizonts
jenseits der "Heimatfront" im Sinne einer Debatte, an der sich alle gesellschaftlichen Schichten
beteiligen, geschehen. Das nützte dann auch den
Soldaten dort, die jetzt als Manövriermasse im
Nebel, der den geistigen Nihilismus der Regierung
MerkelWesterwelle verschleiern soll, dahindümpeln.
Es ist nur zu hoffen, das die Winde bald wieder
kräftiger wehen, und die Leute damit anfangen, sich
diese kaltgepressten, menschenverachtenden, völlig
von sich selbst überzeugten "Leistungsträger" nach
der Schnitzart eines Guttenberg, eines Westerwelle
einer van der Leyen, einer Merkel, mal richtig
anzusehen.
Kritisch bewertet werden muss auch dringend, das
politische Repräsentanten einer modernen Demokratie
im einundzwanzigsten Jahrhundert immer noch den
Eindruck erwecken, es gebe nichts nötiger in der
Welt zu tun, als im Krisengebiete aufzukreuzen, und
sich in der Etappe im Kreis bärtiger soldatischer
Helden fotografieren zu lassen, egal, wieviele
Menschenleben diese wohlfeile Geste nun einmal
gefährdet.
Wenn schon eine Geste, dann eine solche, wie sie Obama sehen liess bein Salutieren vor gefallenen
amerikanischen Soldaten. Eine Analogie für
Guttenberg? Vielleicht macht er ein Knobelbecher-
Riechspiel beim Beckmann mit (bei Wetten - Das ?
war er ja leider vor kurzem schon), und klärt das
noch mal brutalstmöglich auf, wer oder was jetzt
eigentlich die legitime Regierung am Hindukusch
repräsentiert. Soweit ich das mitgekriegt habe,
ist das gar nicht so unbestritten die Karsai -
Administration, wie hier im Blog gemeint wurde.
Noch eine Anmerkung zu Hitler: seine Regierungs-
koalition kam zwar 1933 im Rahmen einer demokratisch
legitimierten Prozedur an die Macht, aber doch wohl
schon als Folge einer Jahrelang missbräuchlich
instrumentalisierten Notstandsgesetzgebung, die das
System bereits ausgehöhlt hatte. Die dann folgende
Machtergreifung der Nationalsozialisten benutzte
zwar die Metaphern des demokratischen Sprachraumes
weiter, usurpierte aber sowohl diesen Sprachraum als
auch alle Strukturen des Systems vollständig mit
rohester Gewalt. Eine bewaffnete Opposition oder
eine im Ausland befindliche Opposition hätte auf der
Grundlage des Infragestehens der Legitimität des
Hitler - Regimes eine Gegenregierung bilden können,
und dann würden wir uns heute auch noch darüber den
Kopf zerbrechen müssen, ob der Adolf und seine
Gangster den deutschen Staat repräsentierten, oder
ob sie eine Organisation waren, die sich innerhalb
des deutschen Staates bewegte.
ein treffsicherer kommentar!
@xpeten: die Propagandawelle läuft auch auf Hochtouren. Der Krieg ist nicht das Problem, Frau Kläßmann wird aufgrund ihrer Meinung zum Problem erklärt. Sogar der Deutschlandfunk gab sich erstaunt, daß die Bischöfin nach dem Kriegsbeschönigungsgespräch mit dem Verteidigungsminister immer noch ihre eigene Meinung hatte. Perverse Welt.
Die Psychologie sagt übrigens, dass eine kleine, aber radikale Minderheit, die permanent ihre Argumente wiederholt und auf ihnen beharrt, die Meinung einer Mehrheit von Menschen ändern kann. Auch wenn die Meinung der Minderheit eigentlich Blödsinn ist.
Zitat (Z.1-3): "Die Zweifel in der deutschen Bevölkerung am Sinn des Afghanistaneinsatzes wachsen"
Genau das scheint nicht so zu sein. Die Argumente der Sofort-Raus-Fraktion sind wenig überzeugend, das wird auch immer mehr so wahrgenommen und zu einer höheren Akzeptanz der Einsätze führen.
Die hier beschriebenen Analogie zwischen zweitem Weltkrieg und der Konstellation in Afghanistan verbietet sich auch auf formaler Ebene.
Im Falle des zweiten Weltkriegs war es der damalige deutsche Staat der bekämpft wurde. Unerheblich ob es eine bewaffnete deutsche Oposition gegeben hätte oder nicht.
Im Fall Afghanistan wird eine im Staatsgebiet operierende Organisation bekämpft. Es geht somit nicht um einen Konflikt zwischen Staaten.
Eine unterscheidung zwischen diesem beiden Formen des Konflikts ist daher notwendig. Fraglich ist jedoch ob die eine Konfliktform als Krieg bezeichnet werden muss, während die andere "nur" die Bezeichnung bewaffneter Konflikt trägt.
Wie wäre es denn mit intranationaler und internationaler Krieg bzw. bewaffneter Konflikt?
Ihre Analogie ist falsch.
ISAF kämpft auf Seiten der afg. Regierung gegen die Aufständischen und nicht mit ihnen gegen die Regierung.
Ihre Analogie beschreibt das genaue Gegenteil(welches von OKT-DEZ 01 in Afg der Fall war). Das ist ein internationaler bewaffneter Konflikt gewesen.
OEF hatte damals die Taliban mit Hilfe der Nordallianz von der Regierung vertrieben.
Danach hatte sich die rechtliche Lage des Einsatzes geändert.
Mit etwas Recherche und dem Studium aktueller Kommentare von Völkerrechtlern wäre diese Antwort von selbst gekommen.
Polemik und Tatsachenverdrehung ist kein gesunder journalistischer Stil.
Mutmaßlich Mossad-Agenten haben mit einem gezielten Angriff das Kommunikationssystem der Hisbollah lahmgelegt. Ist das legitim?
Kommentar Afghanistan: Neues Wort für altes Kalkül
Der Verteidigungsminister hat die Auseinandersetzungen am Hindukusch als "nichtinternationalen bewaffneten Konflikt" neu eingestuft. Denn dafür gelten andere Regeln als für eine Friedensmission.
Die Zweifel in der deutschen Bevölkerung am Sinn des Afghanistaneinsatzes wachsen. Größer wird auch der Unmut über beschönigende Formulierungen, mit denen verschleiert werden soll, dass die Bundeswehr dort an einem Krieg beteiligt ist. Vor diesem Hintergrund dürfte es das Ansehen des Verteidigungsministers steigern, dass er beabsichtigt, die Auseinandersetzungen am Hindukusch wenn schon nicht als Krieg, dann doch wenigstens als "nichtinternationalen bewaffneten Konflikt" einzustufen. Taktisches Kalkül wird als Ehrlichkeit missverstanden.
Das wichtigste Motiv für die Neubewertung: Für einen nichtinternationalen bewaffneten Konflikt gelten andere Regeln als für eine Friedensmission. Militärische Ziele dürfen angegriffen, gegnerische Kämpfer gezielt getötet werden. Die Folgen von Gewaltanwendung werden nach dem humanitären Kriegsvölkerrecht bewertet. Ein Vorgang wie der Angriff auf zwei Tanklaster nahe Kundus, bei dem zahlreiche Zivilisten starben, wäre dann vermutlich nicht mehr Anlass für einen Untersuchungsausschuss, sondern würde für unvermeidlich gehalten. Frei nach Matthias Claudius: "s ist leider Krieg - und ich begehre nicht schuld daran zu sein." Praktisch für eine Regierung.
Krieg dürfen die Kämpfe allerdings nach wie vor nicht genannt werden. Die Begründung dafür ist abenteuerlich: Der Begriff gelte nur für einen Konflikt zwischen Staaten, in Afghanistan aber kämpften internationale Truppen gemeinsam mit der afghanischen Armee gegen Aufständische. Merkwürdige Definition. Wenn es im Zweiten Weltkrieg eine bewaffnete deutsche Opposition gegeben hätte, der es gemeinsam mit den Alliierten gelungen wäre, die Nationalsozialisten von der Macht zu vertreiben: Hätte es sich dann auch um einen "nichtinternationalen bewaffneten Konflikt" gehandelt? Die Analogie ist formal gemeint, nicht inhaltlich.
Die Tatsache, dass die Taliban heute Rebellen sind und nicht mehr die Regierung stellen, ist nicht das Ergebnis eines Bürgerkriegs. Sondern nur auf das Eingreifen der Nato zurückzuführen, die dafür übrigens seinerzeit den Bündnisfall ausgerufen hat. Die Berufung auf den Bündnisfall - der zwangsläufig stets ein internationaler Konflikt ist, war es auch, die den Bundeswehreinsatz verfassungskonform sein ließ. Von "nichtinternationalen bewaffneten Konflikten" ist im Grundgesetz nicht die Rede.
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Kommentar von
Bettina Gaus
Politische Korrespondentin
Jahrgang 1956, ist politische Korrespondentin der taz. Von 1996 bis 1999 leitete sie das Parlamentsbüro der Zeitung, vorher war sie sechs Jahre lang deren Korrespondentin für Ost-und Zentralafrika mit Sitz in Nairobi. Bettina Gaus hat mehrere Bücher veröffentlicht, zuletzt 2011 „Der unterschätzte Kontinent – Reise zur Mittelschicht Afrikas“ (Eichborn).