Industrie ködert Stromkunden: "Gefälligkeitsstudie für Atomwirtschaft"

Eine Studie des BDI verspricht geringere Energiekosten, wenn AKWs 60 Jahre lang laufen. Denn der Ausstoß von Klimagasen wird dadurch für Unternehmer billiger.

...oder ist Atomkraft doch gut für das Klima und schafft neue Arbeitsplätze? Bild: ap

Das Versprechen klingt gut: Alle werden weniger für ihren Strom zahlen und trotzdem viel für das Klima tun und gleichzeitig gibt es 60.000 neue Arbeitsplätze - wenn nur die Atomkraftwerke länger laufen. Das zumindest ist das Ergebnis einer Studie, die der Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI) in Auftrag gegeben und am Montag veröffentlicht hat. Ein privater Dreipersonenhaushalt mit einem Verbrauch von 3.500 Kilowattstunden pro Jahr werde im Jahr 2030 knapp 150 Euro weniger für Strom ausgeben müssen, wenn die Reaktoren 60 Jahre lang laufen dürften.

Noch werden die deutschen AKWs im Schnitt nach 32 Jahren abgestellt, sie sollen durch einen Ausstieg aus dem Atomausstieg aber nach dem Willen der schwarz-gelben Regierungskoalition länger laufen. Unter welchen sicherheitstechnischen und finanziellen Bedingungen ist aber noch unklar. Die Einzelheiten will die Bundesregierung bis zur Vorstellung ihres Energiekonzeptes im Oktober festlegen. Bundeswirtschaftsminister Rainer Brüderle (FDP) sprach sich im Handelsblatt dafür aus, dass mindestens die Hälfte der zusätzlichen Gewinne aus AKWs der Förderung von erneuerbarer Energie zufließen sollen. Damit griff er einen Vorschlag auf, den die Energiekonzerne selbst vor einigen Jahren in die Diskussion eingebracht hatten.

Der BDI sieht die Studie als Beleg dafür, dass AKWs den Übergang zum Zeitalter der Erneuerbaren leichter und Klimaschutz günstiger machen. Die Unternehmensberatung r2b und das EEFA-Institut, die die Studie erstellten, betrachten unter anderem die Auswirkungen einer längeren Reaktorlaufzeit auf den Handel mit Verschmutzungsrechten. Dabei kommen sie zu dem Schluss, dass diese zwar in jedem Fall teurer werden. Sollten die Reaktoren aber 60 Jahre laufen dürfen, würde es im Jahr 2030 rund ein Drittel billiger, eine Tonne Kohlendioxid in die Luft zu blasen, als im Falle des geplanten Ausstieges. Denn viele der bereits Deutschland zugeteilten Emissionsrechte würden dann nicht mehr gebraucht und den Marktpreis drücken. Dies ist einer der Gründe, warum der Anstieg der Strompreise in dieser Konstellation um 25 Prozent gebremst würde.

Für Andree Böhling, Energieexperte von Greenpeace, handelt es sich bei der Untersuchung um eine "reine Gefälligkeitsstudie für die Atomwirtschaft". Eine Verdopplung der Laufzeit, wie sie die Studie unterstellt, würde auch immense Kosten bei der Entsorgung des Mülls und Investitionen in die Kraftwerkstechnik mit sich bringen, sagt er. Dies würde in der Studie nicht berücksichtigt. Zudem behinderten längere Laufzeiten den Ausbau der erneuerbaren Energien und damit die Schaffung von einer Million neuen Arbeitsplätzen. Und auch die Entlastung für den Verbraucher hält er für ein schwaches Argument. "Es ist sehr fraglich, ob die Kunden für gut zehn Euro Ersparnis im Monat das Sicherheitsrisiko, das mit längeren Laufzeiten verbunden ist, eingehen wollen."

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