Verwahrung von Sexualtstraftätern: BGH-Richter warnt vor Hysterie

Der Präsident des Bundesgerichtshofs hält die geplante Verschärfung der Sicherungsverwahrung für unnötig. Für seine liberale Haltung erhält der Richter zahlreiche Schmähbriefe.

"Die Diskrepanz zwischen gefühlter und tatsächlicher Kriminalitätsbedrohung ist heute größer denn je", sagt der BGH-Präsident. Bild: dpa

KARLSRUHE taz | Klaus Tolksdorf, wurde wieder einmal deutlich. Der Präsident des Bundesgerichtshofs (BGH) warnte vor einer "Sicherheitshysterie" in Deutschland. Eine weitere Verschärfung der Sicherungsverwahrung sei unnötig, sagte er beim jährlichen Presseempfang des BGH in Karlsruhe.

Regelmäßig bekommt Tolksdorf Briefe von aufgebrachten Bürgern. "Gebt uns Waffen, damit wir unsere Kinder schützen können", steht darin, oder "die eigentlichen Täter sitzen im BGH". Anlass sind meist Urteile, bei denen Sexualtäter nach Verbüßung der Strafe aus der Haft entlassen werden - obwohl Gutachter sie noch für gefährlich halten. Die Aufregung bei Boulevardmedien und in der Folge auch bei vielen Bürgern ist groß, wenn in solchen Fällen dann Richter am BGH oder anderen Gerichten die Sicherungsverwahrung aus gesetzlichen Gründen ablehnen - etwa weil es sich um einen Ersttäter handelte oder weil es in der Haft keine neuen gravierenden Erkenntnisse gab.

Tolksdorf hält die Aufregung für überflüssig. "Die Diskrepanz zwischen gefühlter und tatsächlicher Kriminalitätsbedrohung ist heute größer denn je", sagte der BGH-Präsident. "Das Leben in Deutschland ist sicher, die Zahl der Sexualdelikte ist rückläufig und die Aufklärungsquote hoch wie nie", betonte Tolksdorf. Der Rechtsstaat schütze die Bürger, ohne dass es einer weiteren Verschärfung der Gesetze bedürfe.

Damit zielt der Richter offensichtlich auf das zentrale kriminalpolitische Projekt der schwarz-gelben Koalition. Laut Koalitionsvertrag soll die Sicherungsverwahrung neu geregelt werden, auch um "Schutzlücken" zu schließen, "wie sie bei Strafverfahren in jüngster Zeit aufgetreten" seien.

Der als liberal geltende oberste Strafrichter erinnerte daran, dass die Sicherungsverwahrung seit dem Jahre 1989 bereits mehrfach verschärft wurde. Auch die Zahl der Verwahrten habe sich seit 1993 verdreifacht. Derzeit sitzen in Deutschland knapp 500 Personen in Sicherungsverwahrung. Sie müssen nach Verbüßung ihrer Strafe weiter in Haft bleiben.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.