Kinder: Kinder, gebt alles!

Ab heute gilt das veränderte Immissionsschutz- gesetz. Danach muss Lärm von Kindern grundsätzlich geduldet werden. Allerdings gibt es einige Ausnahmen

Kinder sind grundsätzlich zumutbar Bild: AP

Stundenlanges Klaviergeklimper, Indianergebrüll auf dem Bolzplatz, Dauertopfschlagen im Kita-Hof - all das darf in Berlin ab dem heutigen Mittwoch ungehemmt Realität werden. Mit einem neuen Satz im Landesimmissionsschutzgesetz erklärt der Senat selbst störende Geräusche von Kindern für zumutbar. Damit sei Berlin das erste Bundesland, das "eine Privilegierung von Geräuschen, die von Kindern ausgehen, in das Landesrecht aufnimmt", sagte Umweltsenatorin Katrin Lompscher (Linke) am Dienstag.

Konkret heißt es in Paragraf 6 nun: "Störende Geräusche, die von Kindern ausgehen, sind als Ausdruck selbstverständlicher kindlicher Entfaltung und zur Erhaltung kindgerechter Entwicklungsmöglichkeiten grundsätzlich sozial adäquat und damit zumutbar." Bisher gab es Ausnahmen im Gesetz nur für Kirchenglocken, Feuerwehrsirenen und Erntetraktoren.

Von der Neuregelung profitieren vor allem Kindertagesstätten und Freizeiteinrichtungen; um sie hatte es in der Vergangenheit teils erbitterten Streit gegeben. So musste etwa 2008 die Kita Milchzahn in der Friedenauer Odenwaldstraße schließen, nachdem Nachbarn wegen des Lärms geklagt hatten. Die Einrichtung lag in einer früheren Ladenwohnung mitten in einem Wohngebiet; geschlossen wurde sie, weil sie gegen bauliche Verordnungen verstoßen hatte.

Auch Sport- und Bolzplätze kämpften gegen Anwohnerklagen - genauso wie bezirklich verwaltete, herkömmliche Sportplätze. Einige dieser Anlagen standen kurz vor der Schließung, andere mussten ihre Nutzungszeiten einschränken. Häufig fühlten sich Anwohner schon durch Türenschlagen gestört oder weil sie keinen Parkplatz fanden, wenn Eltern ihre Kinder zum Training brachten.

Der Kinderschutzbund bewertete die Gesetzesänderung als Erfolg. "Wir leben nun einmal in einer Stadt - irgendwo müssen Kinder spielen und laut sein dürfen", sagte Sprecherin Alex Jacob der taz. Sie berichtete von einem eingezäunten Bolzplatz ebenfalls in Friedenau: Er sei nach Anwohnerbeschwerden am Wochenende für Kinder gesperrt worden, "und das an einer verkehrsreichen Straße, an der es sowieso viel Lärm gibt." Nun umzäunt ein etwa fünf Meter hoher Draht das Gelände. Das Verbot führte laut Jacob dazu, dass die Kinder zu Sperrzeiten über den Zaun klettern. Diese Einschränkungen bleiben trotz des neuen Gesetzes bestehen.

Folgt man der Senatsverwaltung für Umwelt, werden sich solche Einschränkungen künftig aber gerichtlich schwerer durchsetzen lassen. "Die Hürde ist nun einiges höher", sagte Sprecherin Regina Kneiding. Sie geht indes davon aus, dass sich in der Praxis der Bezirksämter wenig ändern wird. Die Verwaltung habe stets auch ohne Gesetz Kinder privilegiert behandelt. "Jetzt setzen wir ein politisches Signal und geben den Bezirken größere Rechtssicherheit."

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.