Ansiedlung jüdischer Zuwanderer: Recht auf Stadt

Die jüdischen Landesverbände in Niedersachsen fordern, dass Zuwanderer nur noch auf Regionen mit "großen und stabilen" jüdischen Gemeinden verteilt werden.

Emigranten vor dem Lager Friedland. Wenn sie Glück haben, werden sie auf große Gemeinden verteilt. Bild: dpa

Eva Tichauer-Moritz ist keine Freundin der Regelung für jüdische Zuwanderer. "Die Leute werden in die Pampa geschickt", schimpft die Vorsitzende der Jüdischen Kultusgemeinde für Göttingen und Südniedersachsen. Derzeit kümmere sie sich um eine jüdische Familie, die nach ihrem Aufenthalt im Grenzdurchgangslager Friedland viele Kilometer von Göttingen entfernt gelandet sei. Die Leute seien gut ausgebildet, bekämen aber ihre Berufsabschlüsse nicht anerkannt - ein typisches Problem nicht nur jüdischer Zuwanderer. Bei dem bürokratischen Verfahren helfe die Göttinger Kultusgemeinde, die zu den "Großen" in Niedersachsen gehöre. "Es wäre einfacher, wenn die Menschen näher an uns dran wären", sagt Tichauer-Moritz. Das aber verhindert eine Regelung des Landes Niedersachsen. Diese sieht vor, dass bei der Aufteilung der Zuwanderer die Einwohnerzahl der Gemeinden berücksichtigt wird. Eine Verteilung nach bürokratischen Gesichtspunkten, nicht nach menschlichen.

Zwar wird darauf geachtet, dass der zugewiesene Wohnort nicht weiter als 30 Kilometer von einer jüdischen Gemeinde entfernt liegt, das aber ist ein weit dehnbarer Begriff. Denn es kommt nicht darauf an, wie groß die Gemeinde ist und ob sie überhaupt schon existiert. Der Regelung nach kann sie sich auch "im Aufbau" befinden. Die Landesverbände der jüdischen Gemeinden und der israelitischen Kultusgemeinden möchten deshalb, dass jüdische Zuwanderer möglichst nur noch auf Regionen mit "großen und stabilen" jüdischen Gemeinden verteilt werden. Das wären Hannover, Hameln, Göttingen, Osnabrück, Braunschweig und Oldenburg. Infrage kämen auch Kommunen im Hamburger Umland.

Das Niedersächsische Innenministerium lässt diesen Wunsch derzeit von den kommunalen Spitzenverbänden prüfen. Die aber müssen sich zunächst eine Meinung bilden. "Wir haben unsere Mitglieder am Mittwoch angeschrieben und um Rückmeldung gebeten", sagt Ulrich Mahner, Referent beim Niedersächsischen Städtetag. Der Verband weist seine Mitglieder darauf hin, dass eine Neuregelung keine Mehrbelastung für die Kommunen bedeuten würde: je mehr jüdische Migranten die Kommunen aufnähmen, desto weniger andere Flüchtlinge würden ihnen zugeteilt. Landkreistag und Städte- und Gemeindebund haben entsprechende Anfragen bei ihren Mitgliedern gestartet. Bis Ende März können sich die Kommunen äußern.

Auch wenn die Kommunen die neuen Vorschläge umsetzten, gingen sie manchem an der Basis nicht weit genug. Denn auch dann wäre eine Ansiedlung der Migranten in einem Umkreis von 30 Kilometern um den Sitz einer jüdischen Gemeinde herum erlaubt. "Wie aber sollen die Leute mit ihrem wenigen Geld aus 30 Kilometern Entfernung zu uns kommen", fragt Tichauer-Moritz. Ginge es nach ihr, hätten die Zuwanderer einen Anspruch, direkt in Städte wie Göttingen oder Braunschweig zu gehen. Nur so sei eine Teilnahme am Gemeindeleben möglich. Und das sei auch im Interesse der Allgemeinheit: "Wir tun sehr viel für die Integration", sagt Tichauer-Moritz. Als Erstes versuche die Gemeinde, ihren Mitgliedern eine Arbeit zu besorgen.

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