Debatte Integration: Auf die Moscheen bauen

Die Islamkonferenz von Thomas de Maizière hat keine Zukunft. Besser wäre es, mit den Moscheevereinen in den Bundesländern zu reden.

Die Islamkonferenz gilt als wichtiges Instrument zur Integration der Muslime in Deutschland. Ex-Innenminister Wolfgang Schäuble kommt das Verdienst zu, das Thema auf die bundespolitische Agenda gesetzt zu haben, indem er sie ins Leben rief. Die zweite Runde der Islamkonferenz hätte sich jetzt konkret der Lösung jener Fragen widmen können, die in den Jahren zuvor aufgeworfen wurden. Stattdessen wird jetzt wieder über Grundsätzliches gestritten: Wer repräsentiert die Muslime in Deutschland? Und wer hat das Recht, für sie zu sprechen?

Als Innenminister Thomas de Maizière Anfang März die Auswahl seiner neuen Gesprächspartner vorstellte, argumentierte er wie gehabt: Da die nationalen Moscheeverbände nur rund ein Viertel der vier Millionen Muslime repräsentieren würden, seien sie nicht berechtigt, als alleiniger Ansprechpartner mit dem Staat in Dialog zu treten. Aus diesem Grund berief er neben dreien der vier großen islamischen Verbände, die sich im Koordinationsrat der Muslime (KRM) zusammengeschlossen haben, zwei weitere Verbände und zehn Einzelpersonen, welche die restlichen drei Millionen Muslime repräsentieren sollen.

Fast schon zum Dogma erhoben wurde die Forderung, die Runde solle möglichst alle Muslime in Deutschland repräsentieren. Sie ist längst zum Kernproblem der Islamkonferenz geworden. Dabei sprechen mindestens drei gute Gründe dagegen.

ist Politikwissenschaftler, er promoviert derzeit zum Thema "Muslimische Interessenorganisationen in Washington D. C.". Von 2001 bis 2006 war er Pressesprecher des Zentralrats der Muslime in Deutschland.

Erstens kennt das Religionsverfassungsrecht das Kriterium der Repräsentativität überhaupt nicht. Denn um als Religionsgemeinschaft anerkannt zu werden, spielt es keine Rolle, ob man alle oder auch nur eine Mehrheit der Angehörigen einer Religion vertritt. Vielmehr besteht das Wesen einer Religionsgemeinschaft darin, zur Erfüllung aller Aufgaben beizutragen, die das religiöse Bekenntnis an die Gläubigen stellt. Diese Aufgaben werden in Deutschland von den Moscheen und den Vereinen, die sie tragen, erfüllt. Dort finden die wöchentlichen Freitagsgebete und Feste statt, dort wird der Fastenmonat Ramadan begangen, dort wird religiöse Bildung und Seelsorge angeboten. Eine Anerkennung von muslimischen Religionsgemeinschaften kann daher nur über die Moscheen erfolgen, denn sie sind die Zentren des religiösen Lebens.

Zweitens drückt der Staat mit seiner Forderung nach "Repräsentativität" jedem, der aus einem muslimischen Land stammt, das Etikett "Muslim" auf. Nur indem er die Religion auf diese Weise "ethnisiert", kommt er überhaupt zu der Zahl von vier Millionen Muslimen, und nur aus diesem Grund forderte Wolfgang Schäuble im Bundestag einmal, auch die nichtreligiösen Muslime müssten in einer Religionsgemeinschaft vertreten sein. Das klingt nicht nur paradox, das ist es auch. Wer hofft, auf diesem Wege zu einer Art "Islam light" zu kommen, der stellt das, was eine Religionsgemeinschaft ausmacht, auf den Kopf.

Drittens wird mit der Zusammensetzung der Islamkonferenz ein künstlicher Gegensatz aufgemacht zwischen jenen Muslimen, die sich unter dem Dach des Koordinationsrats zusammengetan haben, und dem Rest, der angeblich nicht organisiert ist. Doch es gibt hierzulande hunderte von Moscheen, muslimischen Frauen-, Studenten- und Jugendorganisationen, die nicht im Koordinationsrat vertreten sind und denen auch kein Platz am Tisch der Islamkonferenz eingeräumt wird. Ihnen sollte größeres Augenmerk gewidmet werden.

Statt die Islamkonferenz ziellos fortzusetzen und die Ressourcen auf muslimischer Seite zu verheizen, sollte der Dialog zwischen Staat und Muslimen in den Bundesländern ausgebaut und fortgesetzt werden. Dabei muss eine Tür für verbandsunabhängige Moscheen geöffnet werden. Die Debatte sollte sich um die Frage drehen: Wie schafft man es, möglichst viele der etwa 2.500 Moscheen und Moscheevereine in Deutschland unter ein föderal ausgerichtetes Dach zu bringen? Diese Religionsgemeinschaften könnten den Bundesländern bei der Einführung von islamischem Religionsunterricht oder bei einer Ausbildung von Imamen an den staatlichen Universitäten als Kooperationspartner zur Seite stehen.

Leider bietet die Islamkonferenz in ihrer aktuellen Form keine Perspektiven, um hier Lösungen zu finden. Auch die vier großen muslimischen Verbände des Koordinationsrats, die mehr als die Hälfte der deutschen Moscheen vertreten, haben es bisher versäumt, eine Antwort auf diese Frage zu liefern. In Niedersachsen und Hamburg, wo die Landesregierungen bereits erfolgreich mit Moscheelandesverbänden (Schuras) zusammenarbeiten, gibt es dafür gute Ansätze. Die Zusammenarbeit zwischen solchen Moscheelandesverbänden und dem Koordinationsrat der Muslime gehört ausgebaut. Dafür muss zugleich der politische Einfluss aus dem Ausland - vor allem aus der Türkei - zurückgedrängt werden.

Die zentrale religionspolitische Herausforderung lautet: Wie gestaltet man die Moscheenlandschaft in Deutschland einheitlicher und transparenter, damit es in absehbarer Zeit zu verbindlichen Absprachen mit dem Staat kommen kann. Dabei sollte man die innermuslimische Vielfalt nicht unterschätzen. Die zuständigen Landesregierungen sollten sich darauf einstellen, dass sie es am Ende möglicherweise mit zwei oder drei Moscheeverbänden zu tun haben, mit denen sie Vereinbarungen treffen.

Die Politik als Moderator

Die Bundesregierung könnte diese Gespräche koordinieren. Dabei sollte sie sich allerdings nur mit Leuten an einen Tisch setzen, die durch eine Moschee oder einen religiösen Verband dazu legitimiert sind. Dazu gehören die vier großen Verbände, die im Koordinationsrat vertreten sind. Dabei sollten aber auch die Moscheelandesverbände, regionale Moscheeräte und zumindest die großen unabhängigen Moscheen mit einbezogen werden.

Die Politik ist hier als Moderator gefragt. Das Argument, der weltanschaulich neutrale Staat dürfe sich hier nicht einmischen, kann dabei nicht ziehen. Denn der Staat mischt jetzt schon kräftig mit, wie die Islamkonferenz zeigt. Es kommt also nicht darauf an, ob er das tut - sondern auf das Wie.

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