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Archiv-Artikel

Der Beamte sagt, was er denkt

Kartellamtspräsident Ulf Böge ist seit seinem Amtsantritt vor fünf Jahren zu einem wesentlichen Faktor in der Medienpolitik geworden – politischem Druck weicht er nicht

BERLIN Das Verhältnis zwischen unabhängiger Wettbewerbsbehörde und Regierungspolitik lässt sich gewöhnlich am Grad der Verzweiflung des Wirtschaftsministers über den Kartellamtspräsidenten messen. Danach ist Ulf Böge ein hervorragender Kartellamtspräsident. Eher leise, ausgesucht höflich, manchmal etwas trocken. Doch er sagt, was er denkt, und das ziemlich geradeheraus.

Dass der 63-jährige Volkswirt einmal ein wesentlichen Faktor der Medienpolitik würde, dafür sprach bei seiner Amtseinführung vor gut fünf Jahren wenig. Kampfpreise bei der Lufthansa, Preisabsprachen bei Versicherungen oder Machenschaften von Strom- und Gasversorgern, dies waren Arbeitsschwerpunkte der Wettbewerbsbehörde. Doch unter Ulf Böge hatte sich sein Amt öfter mit den Medien zu beschäftigen – fast immer bei politischem Gegenwind. 2001 untersagte es die Übernahme des gesamten deutschen Kabelfernsehnetzes durch den US-Konzern Liberty Media – ausnahmsweise durchaus im Sinne des damaligen Bundeswirtschaftsministers Wolfgang Clement (SPD). Doch als Böge ein Jahr später Clements Pläne, das Kartellrecht neu zu ordnen, als für die Presse gefährlich und dem Geist des Kartellrechts widersprechend kritisierte, war der Konflikt da.

Wie viel man unter Clement von unabhängigen Kartellwächtern hielt, machte der Maulkorb klar, den dessen Staatssekretär Alfred Tacke Böge verpasste – wegen „mangelnder Solidarität“. Für die Großverleger, die liberalere Fusionsvorschriften massiv gefordert hatten, war Böge ohnehin ein „ungebetener Politikberater“, dem es „um die gekränkte Eitelkeit eines Beamten“ ging, wie das Handelsblatt des Holtzbrink-Konzerns kommentierte.

Nicht nur im Medienbereich wich das Ministerium offenbar dem Druck der Konzerne. 2003 schon hatte Clement die Zuständigkeit für die Regulierung der Strom- und Gasnetze einer eigenen Bundesagentur übertragen – und nicht den unbequemen Kartellwächtern, die stets auf bessere Zugangschancen für neue Anbieter im Energiemarkt pochten. Der Bundeswirtschaftsminister heißt bald Michael Glos (CSU). Sein Parteichef Edmund Stoiber hat den Springer-ProSiebenSat. 1-Deal bereits in den höchsten Tönen gelobt. An Ulf Böge werden beide viel Freude haben. STEFFEN GRIMBERG