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Archiv-Artikel

Wer sind die Guten?

SELBSTMARKETING Die Qualität eines Experten wird von Journalisten anders beurteilt als von Wissenschaftlern. Wer Gehör finden möchte, muss sich fit machen

Gut rüberkommen

■ Können Wissenschaftler sich verständlich ausdrücken? Das Buch „Schreiben, bloggen, präsentieren. Wege der Wissenschaft in die Welt“ sagt: Nein, aber das kann erlernt werden. Die Übungen darin werden mit Verweisen auf eine Webseite begleitet, die noch weiterführt. Auch die Besonderheiten der Kommunikation auf verschiedenen Kanälen thematisieren die Autoren: Was sollte beim Bloggen, Twittern oder bei Vorträgen beachtet werden? Und was bringt das alles überhaupt? Ein Muss für alle, die gefragte Experte werden wollen. Zum Buch: schwafelkiller.com

VON LARS KLAASSEN

Dass Wissenschaftler Experten sind, versteht sich von selbst. Aber einige werden von der Öffentlichkeit in dieser Rolle deutlich stärker wahrgenommen als viele andere. Schuld sind natürlich die Journalisten: Sie machen Experten über die Medien erst bekannt. Wen sie zu welchem Thema befragen, wird aber nicht nur über die entsprechenden Fachkenntnisse entschieden. Das hat der Kommunikationswissenschaftler Daniel Nölleke von der Universität Münster herausgefunden.

Für seine Doktorarbeit analysierte er Tausende Zeitungsartikel und TV-Beiträge. Seine zentrale Erkenntnis: „Medien haben ein anderes Expertenverständnis als die Wissenschaft.“ Journalisten seien vor allem an Leuten interessiert, die Dinge auf den Punkt bringen. Wenn solche Experten zudem stets erreichbar sind und Medienerfahrung haben, erleichtert das die Arbeit der Journalisten ungemein. Die Folge: Bei nächster Gelegenheit wird erneut nachgefragt. Wer auf diesem Weg mediale Bekanntheit erlangt, wird zudem vom Publikum – und weiteren Journalisten – als glaubwürdig wahrgenommen. Die Entwicklung zum gefragten Experten bekommt Eigendynamik.

Wenn Ruhm und Ehre winken, ist aber auch Umsicht angesagt: „Einerseits sind Wissenschaftler zur Präsentation und Erläuterung ihrer Forschungsergebnisse in der Öffentlichkeit verpflichtet“, betont Prof. Dr. Claudia Kemfert. Die Abteilungsleiterin am Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung ist eine der bekanntesten Energie-Expertinnen Deutschlands. „Man muss aber Fragen von Journalisten ablehnen, die entweder nichts mit unserem Themenspektrum zu tun haben oder keine ernsthafte und vertrauenswürdige Beantwortung zulassen – wiederum aus Verantwortung gegenüber der Öffentlichkeit.“ Wissenschaftler sollten sich bei Gelegenheit aber auch selbst zu Wort melden, etwa ihre Forschungsergebnisse in den Medien vorstellen – und sich damit als „echte“ Experten anbieten.

Caroline Krüll, die neben Unternehmern und Managern auch Wissenschaftler coacht, rät vor allem Nachwuchswissenschaftlern, in die Offensive zu gehen: „Ein Doktorand kann durch Pressearbeit und Kontakt zu Medien noch viel mehr gewinnen als ein bekannter Professor oder renommierter Forscher.“ Während sich hierzulande viele Wissenschaftler noch ein wenig zierten, sei das in den USA oder Australien bereits gang und gäbe. Krülls Erfahrung: „Mit entsprechendem Know-how und Willen kann man in der heutigen Medienwelt sehr schnell Experte werden.“

Warum jemand Experte ist, lassen 70 Prozent der Beiträge, die Nölleke untersucht hat, übrigens offen: „Nur selten erklären die Journalisten, dass die zitierte Person etwa ein Buch geschrieben hat oder durch eine bestimmte persönliche Erfahrung zum Experten wurde.“ Das mag auf den ersten Blick unbefriedigend erscheinen. Doch die Vorteile stellen sich mittel- bis langfristig ein. „Öffentlichkeitsarbeit schafft gesellschaftliche Legitimation und macht die eigenen Themen einem breiteren Publikum zugänglich“, erläutert Nölleke. Dabei empfehle sich auch „Agenda-Surfing“: Bieten sich bei meinen Forschungsaktivitäten Anknüpfungsmöglichkeiten zu aktuellen Themen, wie etwa Olympia oder Hitzewelle? „Meist ist das ja möglich“, so Nölleke, „auch wenn man da ab und zu etwas kreativ konstruieren muss.“

Wichtige Medientrainings

Wenn der Kontext passt, sollte PR in eigener Sache gemacht werden – etwa indem man die Pressestelle der Uni anspricht. Kommen dann Presseanfragen, darf aber kein Rückzieher gemacht werden. „Vor allem bei audiovisuellen Medien ist die Hürde für viele hoch“, weiß Nölleke. „Deshalb sind Medientrainings wichtig.“ Wie erfolgreich so etwas sein kann, lässt sich bei Interviews mit Sportlern sehen, die sich heutzutage anders artikulieren als noch in den 1990ern. Angebote für Professoren, um Liveauftritte gut über die Bühne zu kriegen, sind mittlerweile keine Ausnahme mehr. „Künftig“, prognostiziert Nölleke, „wird Medienarbeit aber bereits in der Qualifizierungsphase von Wissenschaftlern eine deutlich größere Rolle spielen.“