Abbstiegskampf in der Bundesliga: Spaß macht mobil

Während sich der VfL Bochum vor dem Entscheidungsspiel betont lässig gibt, setzt man bei Hannover 96 auf Rückzug, Besinnung und psychologische Beratung.

Bochums Interimstrainer Dariusz Wosz hat am Samstag gegen Hannover 96 nichts zu verlieren. Bild: dpa

Die kleine, duftende Bratwurstbude, die für die vielen Fans des VfL Bochum kurzerhand herbeigeschafft wurde, stand nicht nur einfach so am Rande des Trainingsplatzes. Was Dariusz Wosz, der Interimstrainer, und seine Mannschaft gestern mit einer Mischung aus Spaß und Fußball zum Anfassen signalisieren wollten, war ein Teil ihrer Taktik. Im Heimspiel gegen Hannover 96, das sich heute mit einem Sieg in Bochum aller Abstiegssorgen entledigen kann, geht es um alles oder nichts. "Ich will die Hektik rausnehmen, meine Jungs sollen frei Fußball spielen", sagt Wosz.

Dass gestern mehr als tausend Fans aus dem Abschlusstraining des VfL eine lustige Angelegenheit gemacht haben, steht in krassem Gegensatz zu der ruhigen und sachlichen Art, mit der sich Hannover 96 dem Abstiegsfinale in Bochum nähert. Trainer Mirko Slomka hat seine Mannschaft zum großen Teil unter Ausschluss der Öffentlichkeit auf die Tücken des gnadenlosen letzten Spieltages vorbereitet. "Wir müssen die Ruhe bewahren und uns auf die eigenen Stärken besinnen", sagt Slomka, für den es auch darum geht, ob er noch einmal auf die Dauer in Liga eins Fuß fasst. Nach fast zwei Jahren ohne Anstellung hat er in Hannover einen Vertrag unterschrieben, der nur für den Fall des Klassenerhalts gilt. Sein Kollege Wosz dagegen hat wenig bis gar nichts zu verlieren. Selbst die Tatsache, dass man beim VfL schon bekannt gemacht hat, wann und wie der Kartenverkauf für die eventuellen Relegationsspiele abgewickelt wird, hat der 40-Jährige mit einem Lächeln garniert.

Konstellation I: Hannover 96 gewinnt in Bochum und wäre gerettet. Derweil verliert Nürnberg zu Hause. Welches Team nun aber auf einem Relegationsplatz bzw. Abstiegsplatz landet, hängt von der Höhe der Niederlagen ab, die Bochum und der Club kassieren. Verliert Nürnberg mit 1:3 und Bochum mit 0:1, dann hätten beide Teams eine Tordifferenz von -29, aber der VfL hätte eine Tor mehr erzielt in der Spielzeit, würde also Relegation spielen.

Konstellation II: Bochum wäre gerettet und Hannover abgestiegen, wenn der VfL 2:0 gegen die 96er gewinnen würde und Nürnberg 4:3 gegen Köln. Dann hätten Bochum und Nürnberg je 31 Punkte und ein Torverhältnis von 35:61. Nun würde der direkte Vergleich zählen, und da hat der VfL die Nase vorn (1:0; 0:0). Der Club müsste in die Relegation gegen Augsburg.

Konstellation III: Hannover spielt Unentschieden in Bochum, sagen wir 2:2, und Nürnberg gewinnt zu Hause gegen die Kölner locker und leicht mit 3:0, wobei ein Sieg in jeder Höhe reichte; dann wäre der Club gerettet und Hannover in der Relegation. Der VfL Bochum stiege ab in Liga zwei.

Konstellation IV Bochum gewinnt gegen Hannover und Köln bezwingt den 1. FC Nürnberg, dann landet der VfL auf dem sicheren Platz 15, während Nürnberg abgestiegen wäre und Hannover 96 zwei Relegationsspiele gegen Augsburg austragen müsste.

Konstellation V: Der VfL Bochum müsste in die Relegation, wenn er Unentschieden gegen Hannover spielt und der 1. FC Nürnberg zu Hause gegen den 1. FC Köln verliert. Nürnberg fände sich in Liga zwei wieder, Hannover verbliebe im Oberhaus. (mv, mb)

Es wird ein Duell zwischen Spaß und Ernst - und eine recht farbenfrohe Angelegenheit. 3.500 Fans werden kostenlos mit einem roten T-Shirt und dem Slogan "Gemeinsam für die 1. Liga" bedacht. Die Bochumer Antwort ließ nicht lange auf sich warten. "Wir werden das Stadion in Blau-Weiß tränken", sagt VfL-Vorstand Thomas Ernst. 10.000 T-Shirts mit der sinnigen Aufschrift "VfL - gestern, heute, morgen" werden verteilt.

Slomka lässt sich, sein Trainerteam und seine Spieler seit Wochen von einem Psychologen bei der täglichen Arbeit beraten. "Wir werden die Ruhe bewahren. Der Druck ist bei denen", sagt Slomka über die Bochumer, die Hannover nur noch mit Hilfe eines Heimsiegs in der Tabelle einholen können. Wosz indes versucht sich als Nachfolger des gescheiterten Heiko Herrlich als Motivator. Im Training des VfL wurde zuletzt wieder deutlich häufiger gelacht. Seine Jungs sollen das Stadion "umpflügen", um eine missratene Bochumer Saison noch mit einem guten Ende zu versehen. Slomka geht die Dinge deutlich analytischer an, was sicherlich auch damit zu tun hat, dass seine Spieler in dieser Spielzeit den von Depressionen geplagten 96-Kapitän Robert Enke verloren haben.

Slomkas fester Glaube daran, dass sich Disziplin und Wille gegen Lockerheit und Spaß durchsetzen, geht heute in den entscheidenden Praxistest.

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