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Neue Parteispitze gewähltLinke gibt sich regierungsbereit

Beim Parteitag verabschiedet die Linkspartei die Altvorderen Bisky, Lafontaine und Bartsch. Die Partei will Harmonie und wählt diszipliniert deren Nachfolger.

Eine Lady in red? Die Linke. Bild: dpa

Am Samstagabend kam der Augenblick, auf den viele gewartet hatten: Gregor Gysi, der als Conférencier durch diesen Parteitag der Abschiede leitete, rief dem ehemaligen Bundesgeschäftsführer Dietmar Bartsch zu: "Es tat mir damals weh, es tut mir auch heute weh." Gysi hatte seinen Freund Bartsch als illoyal abgekanzelt, im Auftrag von Oskar Lafontaine, wie viele Ostgenossen argwöhnten. Gysi rief Bartsch zu: "Wir brauchen uns gegenseitig" und bekam viel Applaus. Für Bartsch gab es, wie für Bisky und Lafontaine, stehende Ovationen - eine perfekt inszeniert Versöhnungsgeste. Nur Lafontaine gab derweil neben dem Podium ein Interview und verschwand dann unauffällig.

Es war ein Parteitag mit vielen Gefühlen, beim Abschied des bedächtigen Lothar Bisky mit Rührung und fast Tränen. Die Linkspartei ist, trotz aller Streitlust, im Grunde eine harmoniesüchtige Partei - vor allem ihr östlicher Teil. Nur manche Details wie Lafontaines Abgang zeigten, was hinter der Fassade los ist. Die Wunden, die der Kampf zwischen Lafontaine und Bartsch hinterlassen hat, sind nur verschorft, nicht verheilt. Auch Bartsch, der als Fraktionsvize weiter im Spiel ist, dankte demonstrativ diesem und jenem, aber nicht Gysi.

Lafontaines letzte Rede gab den Ton dieses Parteitags vor: nicht scharf, konfrontativ und populistisch, eher entspannt und reflektiert. Es gab keine Tiraden gegen die SPD, keine letzte wütende Abrechnung. "Wir sind bereit, in NRW zu regieren, wenn der Sozialabbau im Bundesrat verbindlich gestoppt wird", rief er. Er forderte nicht die Verstaatlichungen von Eon, sondern die Rekommunalisierung der Energieversorgung, plädierte gegen "VEB Opel" und für Belegschaftsbeteiligungen. Die Botschaft war indirekt, aber klar: Lafontaine sabotiert Rot-Grün-Rot in NRW nicht. "Machts gut, machts besser", rief er am Ende. Dass das fundamentale Nein gegen Regierungsbeteiligungen in westlichen Landesverbänden aufweicht, zeigte ein Antrag des Pragmatikers Jan Korte. Die Partei solle auch mit Linksliberalen reden und "andere Koalitionsmehrheiten" anstreben. Der Text war betont schwammig gehalten und keineswegs spektakulär. Doch früher wären solche Ideen am Widerstand der West-Fundis gescheitert. Jetzt wurde der Antrag durchgewunken.

Angesichts der Sondierungen, die die Fundi-dominierte NRW-Linkspartei mit Rot-Grün plant, sind die Fronten unübersichtlich geworden. Und die neuen Linkspartei-Chefs? Gesine Lötzsch bekam mit 93 Prozent ein exzellentes Ergebnis, Klaus Ernst, der polarisiert, knapp 75. Beide Ergebnisse sind besser als erwartet oder befürchtet.

Die Partei will, wie schon die klare Mehrheit für die Doppelspitze bei der Urabstimmung gezeigt hatte, keinen Zwist. Innerparteilich ist sie bis an die Grenze der Autoritätshörigkeit an Konsens orientiert. Gleichwohl zeigten die Bewerbungsreden von Ernst und Lötzsch, dass man sich nach Lafontaines rhetorischer und intellektueller Brillanz noch zurücksehnen wird. Lafontaines Schatten wird lang sein.

Das zeigte auch die Wahl der Vizeparteichefs. Der Saarbrücker Ökonom und Vertraute von Lafontaine Heinz Bierbaum bekam 75 Prozent - ein sensationell gutes Ergebnis für jemand, den kaum jemand kennt. Bierbaum, keynesianischer Professor für Betriebswirtschaft, wird in der Partei ironisch "Götterbote" genannt, weil er Lafontaines Einfluss sichern soll. Sahra Wagenknecht, die wie immer eine scharfe Fundirede hielt, bekam als Parteivize 75 Prozent, Katja Kipping knapp 74. Nur die Pragmatikerin Halina Wawzyniak wählten lediglich knapp 58 Prozent. Das schlechte Resultat sei "das übliche Foul der Westler" kommentierte ein Ost-Pragmatiker. Auch bei der Besetzung des 44-köpfigen Parteivorstands votierten die Delegierten eher für eine Stärkung des Fundiflügels. Christine Buchholz bekam ein gutes Ergebnis, auch der linke Linke Tobias Pflüger gehört fortan zum Parteivorstand. Bekannte Pragmatiker wie Bodo Ramelow und Jan Korte hatten nicht mehr kandidiert.

Merkwürdig wirkte Gregor Gysis Rolle. In einer wie immer aufgeräumten, mit Scherzen durchwebten Rede warb er für das Personaltableau, für Parteivize und Bundesgeschäftsführer. Ernst und Lötzsch, so Gysi, "sind so was von verschieden, dass daraus nur was Gemeinsames entstehen kann." Doch Gysi, der sonst stets traumwandlerisch stilsicher auftritt, klang dabei weniger selbstironisch als herablassend und oberlehrerhaft. Seit der Bartsch-Affäre sind die Ost-Pragmatiker auf Distanz zu ihm gegangen. Aber nach Lafontaines Abschied kommt in der Partei keiner an Gysi vorbei. Und der wirkt so abgehoben wie noch nie. Innerparteilich ist die Linke bis an die Grenze der Autoritätshörigkeit an Konsens

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11 Kommentare

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  • A
    Anonymous

    Mann Jungs, kriegt mal Eure Kommentarfunktion unter Kontrolle bzw. weniger, damit man selbige noch am selben Tag und nicht erst Tage später lesen kann.

    Danke

     

     

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  • M
    Marcelian

    GEGEN DIE LINKE? WARUM DENN?

    Es wird sehr viel Propaganda gegen die Linke gemacht und das ist nicht gerecht, auch nicht richtig.

     

    Wenn einer gut ist, muss er gerade schlecht gemacht werden, weil es einigen so gefällt?Das ist weder menschliches Verhalten noch soziale Intelligenz.

     

    Es ist genau das Verhalten, das die Kapitalisten von einpaar naiven Leuten auch erwarten, denn so wird der Kapitalismus noch stärker und noch schlimmer!Alles auf Kosten der Arbeiter, auf unseren Kosten.

     

    Was soll das den jetzt? Fragt euch lieber, was die Nazis der ganzen Welt angetan haben und was der Kapitalismus mit der Toleranz von vielen den Arbeitern und den Kleinverdienern auch antut, dann wisst ihr mehr!

     

    Ihr habt bestimmt gemerkt, dass eure Taschen leerer und noch leerer werden, alles wird teuer und teurer und die Menschen nichts mehr bezahlen können oder? Habt ihr tatsächlich soviel Geld, dass ihr euch den Kapitalisten gleichstellt?

     

    Lest ihr mal das bitte und denkt mal drüber nach, was ihr tut.Null Toleranz gegen Intoleranz, so ist das:

     

    Einheitsfrontlied

    Text: Bertolt Brecht; Musik: Hanns Eisler

     

     

     

    DAS LIED VON DER EINHEITSFRONT

     

    Und weil der Mensch ein Mensch ist,

    drum braucht er was zu essen, bitte sehr!

    Es macht ihn ein Geschwätz nicht satt,

    das schafft kein Essen her.

     

    Drum links, zwei, drei!

    Drum links, zwei, drei!

    Wo dein Platz, Genosse, ist!

    Reih dich ein in die Arbeitereinheitsfront

    Weil du auch ein Arbeiter bist.

     

    Und weil der Mensch ein Mensch ist,

    drum braucht er auch noch Kleider und Schuh'.

    Es macht ihn ein Geschwätz nicht warm

    und auch kein Trommeln dazu.

     

    Drum links, zwei, drei ...

     

    Und weil der Mensch ein Mensch ist,

    drum hat er Stiefel ins Gesicht nicht gern.

    Er will unter sich keinen Sklaven sehn

    und über sich keinen Herrn.

     

    Drum links, zwei, drei ...

     

    Und weil der Prolet ein Prolet ist,

    drum wird ihn kein anderer befrein,

    es kann die Befreiung der Arbeiter

    nur das Werk der Arbeiter sein.

     

    Drum links, zwei, drei ...

     

     

     

    Text: Bertolt Brecht

    Musik: Hanns Eisler

  • U
    uwe

    "von marie:

     

    Nur weil man dem Schwein ein Kleid anzieht ist es noch lange keine Dame."

     

    Tja stimmt, die Linkspartei hängt noch immer Ideen nach die schon lange überholt sind, wir brauchen fähige Politiker mit neuen Ideen und keine die sich die DDR zurückwünschen.

     

    Mal abgesehen davon, so zerissen wie die im Moment sind halte ich sie sowieso für regierungsunfähig.

  • C
    claudia

    >>Nur weil man dem Schwein ein Kleid anzieht ist es noch lange keine Dame.>Solche Kasper wie WW, Rösler, Schröder und Co. wird man dort gottseidank zumindest vorläufig nicht antreffen !!

  • PW
    Peter W.

    "Was die LINKE betrifft, so kann ich nur sagen, dass man in der deutschen Politik schon gründlich suchen muss, um solche fähige Leute zu finden wie sie dort anzutreffen sind"

     

    Ich krieg mich nicht mehr ein vor lachen!

    Diese Partei ist in vielen Punkten völlig weltfremd und hängt Idealen nach wegen denen man sie ewiggestrig nennen könnte. Und fähig sind die Leute da auch nur im reden.

  • M
    Martin

    @P.Haller: Ja, das sind schon richtige Spitzenleute bei der "Linken". Deshalb haben sie ja auch so eine Menge realisierbarer, brauchbarer Konzepte, abseits vom Populismus.... wie zum Beispiel....ähm...ja.

     

    Da macht auch das Fehlen von Nullnummern, wie dem saarländischen Ego-Gnom nix. Dessen politische Lebensleistung geht nun ja eher gegen Null.

  • P
    P.Haller

    @Marie

    Stimmt ! Das gilt aber für die meisten von uns, und ich denke auch für Sie !!

     

    Was die LINKE betrifft, so kann ich nur sagen, dass man in der deutschen Politik schon gründlich suchen muss, um solche fähige Leute zu finden wie sie dort anzutreffen sind, auch wenn sich jetzt solch ein Spitzenpolitiker wie Lafontaine zurückzieht. Schade !!

     

    Wer jedoch die Pappnasen der extremistischen Sektierertruppe FDP bis heute ertragen hat, der kann doch nur froh sein, dass sich endlich die LINKE in der deutschen Politlandschaft ausbreitet.

    Solche Kasper wie WW, Rösler, Schröder und Co. wird man dort gottseidank zumindest vorläufig nicht antreffen !!

  • M
    marie

    Nur weil man dem Schwein ein Kleid anzieht ist es noch lange keine Dame.

  • F
    Fate

    Sorry aber "durchgewunken" existiert nicht, es muss "durchgewinkt" heißen. Winken wird gebildet wie blinken.

  • J
    joHnny

    wenn aus lötzsch ernst wird, verabschiedet sich die sogenannte linkspartei, und es freut sich

    der dritte: gysi!...

  • U
    uwe

    Bei Regierungsbeteiligung will ich eine klare Distanzierung vom Stalinismus.

     

    Wagenknecht fand den Onkel Stalin früher ja mal ganz toll und bis jetzt hat sie sich noch immer nicht von im distanziert, erstmal müssen solche Leute aus der Partei ausgeschlossen werden bevor man sie ernst nehmen kann.