Kommentar Parteitag: Die Revolution der Linkspartei

Wenn die Linkspartei in NRW mitregiert, wird dies die innere Architektur der gesamten Partei revolutionieren - und die Flügellogik aufsprengen.

Ob Rot-Rot-Grün in NRW eine Chance hat, ist offen. Es kann sein, dass der Sprung in die Regierung für die parlamentarisch unerfahrene Linkspartei zu weit ist. Oder dass die SPD sich nicht traut. Sicher ist: Wenn die Linkspartei in Düsseldorf mitregiert, wird dies die innere Architektur der gesamten Linkspartei revolutionieren. Bislang gilt eine ziemlich steife Sortierung in Pragmatiker und Fundis. Die Fundis verdächtigen die Pragmatiker gern als Verräter linker Glaubenssätze, die Pragmatiker halten die Fundis für politikunfähige Ideologen. Wenn ausgerechnet die prinzipientreuen Genossen in NRW mit Rot-Grün regieren, dann wird diese starre Ordnung verflüssigt. Rot-Grün-Rot in Düsseldorf würde die Flügellogik aufsprengen, die die Partei prägt und oft auch lähmt. Wenn sogar die NRW-Genossen koalieren, dann geht in der Linkspartei alles. Auch für den Bund 2013.

Natürlich kann Rot-Grün-Rot scheitern. Es ist sogar wahrscheinlicher, dass die Angst zu groß, das Vertrauen zu gering ist. Aber schon die Aussicht aufs Regieren hat die NRW-Linke still verändert. Vor einem halben Jahr traute sich dort kaum jemand, offensiv für eine Tolerierung von Rot-Grün zu plädieren. Jetzt ist es selbstverständlich, dass man mit Rot-Grün regiert, wenn die Inhalte stimmen. Die Grünen brauchten für diesen Prozess in den 80er-Jahren ein paar Jahre, die NRW-Linken ein paar Monate. Dieser Wandel ist geräuscharm, lautlos bis zum Unheimlichen geschehen. Auf dem Parteitag in Rostock hat die Linkspartei ihre Führung für die Zeit nach Lafontaine, Bartsch und Bisky bestimmt. Das ging, wie erwartet, störungsfrei über die Bühne. Das Antiautoritäre, Chaotische liegt den Genossen sowieso nicht. Man hat es lieber diszipliniert und ordentlich. Offen ist allerdings, ob das neue Führungsduo Klaus Ernst und Gesine Lötzsch mehr als eine Übergangslösung sein wird. Die beherrschende Figur ist jedenfalls Gregor Gysi, ohne den, wie die Krise im Januar gezeigt hat, nichts geht, wenn es ernst wird.

Die Debatten der Linkspartei mögen oft ideologisch verschraubt wirken, die Bewegungen der Partei behäbig. Aber etwas ist in NRW in Bewegung gekommen. Die Linkspartei wendet sich der Realpolitik zu. Bei diesem Kurswechsel wird es Rückschläge geben, Kämpfe, Zerwürfnisse, Eklats und Parteiaustritte. Aber die Richtung, in die sich die Linkspartei bewegt, ist deutlicher als je zuvor.

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Stefan Reinecke arbeitet im Parlamentsbüro der taz mit den Schwerpunkten SPD und Linkspartei.

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