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Fred hat nicht ganz vestanden, wie Kapitalismus läuft.
Ein jahrelang im (Wach-)Koma liegender Heimbewohner ist das, wonach sich jeder Beschäftigte in einem Pflegeheim alle zehn Finger leckt: fast keine Arbeit, kann nicht meckern oder sich sonst wie äußern, vermutlich Pflegestufe 3. Den gibt man nicht her!
Toll, wenn Pflegekräfte und Heimverwaltung zur moralischen und juristischen Instanz werden in diesem Land. Oder fast wurden! Das BGH-Urteil hat mir den letzten Rest Vertrauen in die Rechtssprechung dieses Landes gerettet.
(Ich bin nämlich seit über einem Jahr ständige Besucherin eines Heims und weiß, was abgeht.)
Das Kapital freut sich
endlich sind die letzten unumstösslichen Hürden für die Entsorgung teurer, älterer Patienten gefallen. Ärzte dürfen sie nun kontrolliert wegsterben lassen.
Wenn Christian Rath das gut findet, sollte er sich mal mit den möglichen Folgen dieses Zivilisationsbruches auseinandersetzen: Euthanasie 2.0.
Nach stundenlanger Sitzung verschiebt die Ampel ihren Koalitionsausschuss auf den nächsten Tag. Wie die Parteien zueinander finden wollen, ist noch unklar.
Kommentar Sterbehilfe: Selbstbestimmt und würdig
Das BGH-Urteil hat Unsicherheiten beseitigt. Ärzte und Heime können sich jetzt nicht mehr über den Willen der Patienten hinwegsetzen.
Es gibt ein Recht auf Leben. Aber es gibt auch ein Recht auf menschenwürdiges Sterben. Für viele Menschen gehört dazu, dass sie etwa im Falle eines Wachkomas nicht jahrelang vor sich hin vegetieren wollen. Sie wollen nicht von der Medizintechnik am Leben gehalten oder, besser gesagt, am Sterben gehindert werden.
Der Bundesgerichtshof hat dieses Recht auf ein menschenwürdiges Sterben nun gestärkt. Unmissverständlich hat das Gericht klargestellt, dass ein Pflegeheim das Abschalten der medizinischen Apparate dulden muss, wenn eine entsprechende schriftliche oder mündliche Patientenverfügung vorliegt. Wenn das Heim sich darüber - ob aus kommerziellen, ethischen oder religiösen - Gründen hinwegsetzt, ist es im Unrecht. Notfalls dürfen die Angehörigen zur Selbsthilfe greifen und sogar die Schläuche mit der Schere durchtrennen, so der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs.
Das Urteil aus Karlsruhe kommt eigentlich nicht überraschend. Es liegt ganz auf der Linie früherer Entscheidungen des Gerichtshofes. Weil aber die Gerichte (und auch die Senate des Bundesgerichtshofs) nicht an einem Strang zogen, war es zu Unsicherheiten gekommen. Diese sind nun beseitigt worden. Das neue Urteil schafft damit also kein neues Recht, sondern es fasst nur die bestehende Rechtslage gut zusammen.
Diese jetzt hergestellte Rechtsklarheit ist zu begrüßen. Nicht nur weil sie die Selbstbestimmung am Lebensende stärkt, sondern auch weil sie unwürdige Szenen wie den heimlichen Scherenschnitt hoffentlich überflüssig macht.
Die Zeiten, in denen sich Ärztinnen und Ärzte sowie Heime oder Pflegeanstalten unter Verweis auf unklare Regeln über den Willen der Patienten hinwegsetzen konnten, sind jetzt endgültig vorbei.
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Kommentar von
Christian Rath
Rechtspolitischer Korrespondent
Geboren 1965, Studium in Berlin und Freiburg, promovierter Jurist, Mitglied der Justizpressekonferenz Karlsruhe seit 1995 (zZt Vorstandsmitglied), Veröffentlichung: „Der Schiedsrichterstaat. Die Macht des Bundesverfassungsgerichts“ (2013).
Die Vergangenheit als Blaupause
Schulterblick nicht vergessen
Hoffnung kann man auch aus der Vergangenheit ziehen, findet unsere Autorin. Ein Appell auch mal zurück zu schauen.