: Eine Stadt verbietet das Spucken
Die Kleinstadt Belzig in Brandenburg sorgt sich um die Jugend – und um ihr Erscheinungsbild. Deshalb sollen Bürger Bußgelder zahlen, wenn sie auf öffentlichen Plätzen rauchen oder auf die Straße spucken. Rauchen am falschen Ort soll 50 Euro kosten
AUS BELZIG JAN PFAFF
Herausgeputzte Fachwerkhäuser, gefegte Gehwege und an jeder Ecke ein Papierkorb – so sieht das historische Zentrum von Belzig aus, einer Brandenburger Kleinstadt mit 8.000 Einwohnern. Doch Belzig hat ein Problem. Glaubt zumindest das städtische Ordnungsamt. Die Bürger rauchen zu viel, und Jugendliche spucken ihren Rotz auf die Straße. Die Verwaltung sieht das Gemeinwesen in Gefahr und will den Verfall der Sitten jetzt mit Verboten stoppen.
Eine „ordnungsbehördliche Verordnung zur Aufrechterhaltung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung“ soll der Stadtrat deshalb am nächsten Montag verabschieden. Kernstück ist ein Bußgeldkatalog: Das Rauchen auf bestimmten öffentlichen Plätzen kostet 50 Euro Bußgeld. Wildes Plakatieren wird mit bis zu 100 Euro geahndet. Und wer auf die Straße spuckt, zahlt zukünftig 20 Euro. Bußgeld für einmal Spucken – so was gab es in Deutschland noch nie.
Für derartige Maßnahmen war bisher eher das fernöstliche Singapur bekannt. Wer dort in der Öffentlichkeit raucht, zahlt rund 500 Euro. Für das Anheften von Plakaten an Laternenmasten oder Bushaltestellen drohen sogar drei Jahre Gefängnis.
In Belzig, einem Kurort mit Thermalbad und Renaissance-Rathaus, sind vor allem die Raucher sauer über die geplante Verordnung. Vor dem Gymnasium stehen Schülerinnen und ziehen an ihren Zigaretten. „Wir sind doch nicht in Amerika, wo man die Raucher verfolgt“, sagt die 17 Jahre alte Carolin. Sie versteht nicht, dass Spucken die öffentliche Ordnung untergraben könnte. „Es ist zwar nicht schön, aber es stört auch nicht wirklich.“
Gerade auf die Jugend ziele das Ordnungsamt mit den neuen Verboten, sagt Manfred Wallich, stellvertretender Behördenleiter. „Wir können das Rauchen natürlich nicht generell verbieten. Aber wir wollen nicht, dass Kinder und Jugendliche durch schlechte Vorbilder dazu verführt werden.“ Deshalb will die Behörde Plätze, an denen sich morgens und mittags viele Schüler treffen, zur rauchfreien Zone erklären. Außerdem sei das Spucken in letzter Zeit für Jugendliche zum Sport geworden. „Das müssen wir dringend abstellen.“
Wie weit darf eine Kommune ihren Bürgern vorschreiben, was sie zu tun und zu lassen haben? Im Streit zwischen einer gepflegten Innenstadt und individuellen Freiheitsrechten entschieden deutsche Gerichte bisher meist zugunsten der Freiheit.
So wollte etwa die Stadt Elmshorn 1999 Punks aus dem Stadtzentrum verbannen, indem sie den Alkoholkonsum auf öffentlichen Plätzen verbot. Ein Punk klagte dagegen, am Ende gab ihm das Oberverwaltungsgericht Recht. Das Biertrinken auf dem Marktplatz sei Teil des „kommunikativen Gemeingebrauchs“, urteilten die Richter.
Nach mehreren gleich lautenden Entscheidungen haben die Kommunen nun weitgehend akzeptiert, dass sie Betteln und Trinken auf öffentlichen Plätzen tolerieren müssen. „An dieser Front ist Ruhe eingekehrt“, sagt Hans Peter Bull, Professor für Öffentliches Recht an der Universität Hamburg. Der Jura-Professor bezweifelt, dass das Belziger Rauchverbot vor Gericht bestehen könnte. „Ich habe Verständnis für das Anliegen, die Nichtraucher zu schützen“, sagt Bull. Aber das Belziger Verbot erscheine ihm „doch etwas zu weitgehend“. Die Raucher müssten ihren Bedürfnissen schließlich auch im öffentlichen Raum noch nachkommen können.
Von dem Spuckverbot hält Bull ebenfalls nicht viel. „Rechtspolitisch sollte nicht ein Punkt überschritten werden, ab dem Verbote sinnlos werden, weil sie nicht durchsetzbar sind“, sagt er. Das Ordnungsamt könne das Verbot gar nicht flächendeckend kontrollieren. Und dass sich die Bürger gegenseitig bespitzeln, das sei wohl kaum erstrebenswert, meint Bull.
Manfred Wallich vom Belziger Ordnungsamt räumt ein, dass drei Mitarbeiter im Außendienst ein stadtweites Spuckverbot kaum durchsetzen könnten. „Aber der Bußgeldkatalog gibt uns zumindest eine Handhabe, überhaupt etwas zu tun.“
Am Busbahnhof sitzt der 16-jährige Bennie auf einer Bank. „Wenn ich einen Klumpen im Hals hab“, sagt er, „dann muss der raus.“ Zu seinen Füßen glänzt ein frischer Speichelfleck.