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: „Wenn ich einen Audi hätte, würde ich ihn verkaufen“

2. LIGA Union Berlin fehlt beim 1:1 gegen Ingolstadt die geistige Frische – die Fans schieben die Schuld anderen zu. Wirtschaftlich ist der Köpenicker Club kerngesund

Voller Inbrunst sangen die Fans des 1. FC Union am Sonnabend vor der Heimpartie gegen Ingolstadt ihre Vereinshymne. Das Lied klang lauter als sonst – als hätte das 2:2-Remis beim Derby gegen Hertha in der Vorwoche die Brust der Eisernen vor Stolz anschwellen lassen. Umso schriller gellten die Pfiffe nach dem 1:1-Unentschieden gegen Ingolstadt durch die Alte Försterei in Köpenick. Bierbecher flogen in Richtung von Schiedsrichter Norbert Grudzinski aus Hamburg, der unter „Schieber“-Rufen von Ordnern in Kabine geleitet wurde. Pfiffige Balljungen sammelten derweil die Ein-Euro-Pfandgeschosse auf.

Auf den Ball gespuckt

Anlass des Ärgers: Grudzinski hatte den Gästen vor 15.471 Augenzeugen kurz vor Spielende einen zweifelhaften Foulelfmeter zugesprochen, verursacht von Berlins Verteidiger Roberto Puncec an Stürmer Ilian Micanski. Das Publikum reagierte am Ende überzogen, Union-Verteidiger Fabian Schönheim zuvor sogar grob unsportlich: Er spuckte auf den Ball, der auf dem Elfmeterpunkt darauf wartete, getreten zu werden. Schönheim sah Gelb und war damit gut bedient, Ingolstadts Micanski traf bei einem lässigen Schuss nur die Querlatte. Sein Trainer Tomas Oral grantelte: „Da muss man zuschlagen, ob der Elfmeter gerecht war oder nicht.“

Trotz der vermiedenen Last-Minute-Pleite brodelte die Union-Seele. Vergessen war der Fauxpas des Schiedsrichters zugunsten von Union, als er in der 36. Minute nach einem Foul des Eisernen-Torhüters Daniel Haas an Florian Heller den Ingolstädtern einen Elfmeter versagte. „Wenn ich einen Audi hätte, würde ich ihn verkaufen“, schimpfte ein Union-Fan nach dem Spiel und spielte damit auf den Autobauer an, der beim Gegner als Hauptsponsor fungiert.

Unions Trainer Uwe Neuhaus sprach nach dem 1:0-Führungstreffer der Bayern durch Heller (66. Spielminute) und dem späten Ausgleich von Adam Nemec (85.), der für Union bereits in Olympiastadion gegen Hertha erfolgreich gewesen war, von einem glücklichen Punktgewinn seiner Mannschaft. „So unterschiedlich können Unentschieden sein. Zwischen den verlorenen Zählern gegen Hertha und dem heute ergatterten Punkt liegen Welten“, sagte er.

Dem Stimmungshoch im Olympiastadion war jetzt, fünf Tage später, ein deutlicher Leistungseinbruch gefolgt. „Uns hat eindeutig die geistige Frische gefehlt“, sagte Neuhaus. Trainerkollege Oral spekulierte: „Wir wussten, dass es für Union schwierig sein würde, die Spannung aufrechtzuhalten. Bis zum 1:1 war nichts los vor unserem Tor.“ Von der „brutalen Offensivkraft“ der Eisernen, von der Unions Torjäger Simon Terodde vor dem Anpfiff geschwärmt hatte, war jedenfalls wenig zu spüren.

Die vage Hoffnung auf einen Bundesliga-Aufstieg in dieser Saison ist nun wieder gedämpft. Wirtschaftlich aber geht der Aufwärtstrend des Köpenicker Clubs weiter:„Zum fünften Mal in Folge haben wir ein positives Resultat erzielt“, bilanzierte Präsident Dirk Zingler die Saison 2011/2012. Der Gesamtumsatz stieg gegenüber dem vorhergehenden Geschäftsjahr um über vier Millionen Euro auf 17,1 Millionen, bei einem Gewinn von 0,4 Millionen Euro (vorher 0,14 Millionen). In der laufenden Spielzeit 2013/2013 werden die Eisernen wohl an der Umsatzgrenze von 20 Millionen Euro kratzen, während der Gewinn auf fast 0,8 Millionen Euro steigen soll. Und das, obwohl die neue Haupttribüne in der Alten Försterei mit ihren VIP-Logen erst nach der Sommerpause vollständig in Betrieb geht. „Wir sind wirtschaftlich ein äußerst gesunder Zweitligist geworden“, befand Zingler.

Risiken sind tabu

Die Frage, wann in Köpenick endlich der ersehnte Aufstieg in die Bundesliga zum offiziellen Ziel erklärt wird, bezeichnete Zingler als „berechtigt“. Ein Datum nannte er nicht, lediglich das Prozedere. Finanzielle Risiken seien tabu auf dem Weg nach oben. Auch wenn es leichter fiele, Schulden zu machen, so wäre dies doch zu einfach für Union.

„Fünf Millionen Euro borgen und oben mitspielen – das kann jeder“, behauptete der Union-Präsident, um anschließend zu versichern: „Das Präsidium und ich sind fest der Meinung, dass wir auf unsere Art und Weise die Bundesliga schaffen können.“

JÜRGEN SCHULZ