Thesenpapiere zur Netzpolitik: Der Streit ums Internet

Wie soll das Internet von Morgen aussehen? Die Ansichten könnten kaum unterschiedlicher sein, wie die in den letzten Wochen erschienenen Thesenpapiere zeigen.

Zentrale Forderung im Thesenpapier von de Maiziere: der elektronische Personalausweis. Bild: apn

Vielleicht liegt es am Sommerloch, vielleicht auch daran, dass die unterschiedlichsten Parteien derzeit versuchen, sich das Netz zurechtzubiegen, wie sie es gerne hätten: In kurzer Folge sind in den letzten Wochen Thesenpapiere zur Zukunft der Internet-Politik veröffentlicht worden, die unterschiedlicher kaum sein können.

De Maizière Netzpolitik der Zukunft

Den Anfang machte Bundesinnenminister Thomas de Maizière, der seit seinem Amtsantritt sein Interesse zum Netz gesteigert zu haben scheint. Seine "14 Thesen zu den Grundlagen einer gemeinsamen Netzpolitik der Zukunft", die Ende Juni veröffentlicht wurden, stießen bei der Community gleichermaßen auf Ablehnung und Zustimmung. Positiv bewertet wurden sie, weil sie sich für die Freiheit des Netzes einsetzen und relativ wenig Regulierung fordern. Negativ aufgenommen wurden die Rufe nach einem "starken Staat", die an den Amtsvorgänger Wolfgang Schäuble erinnern, der bereits die Anonymität des Netzes stark kritisierte. Den totgerittenen Begriff vom Netz, das "kein rechtsfreier Raum" sein dürfe, konnte sich De Maizière, der sich mehrerer Treffen mit der Community im Vorfeld rühmte, ebenfalls nicht verkneifen.

BDK will "Resetknopf"

Noch einen deutlichen Zahn härter wünscht sich der Bund Deutscher Kriminalbeamter (BDK) die künftige Online-Politik der Bundesregierung. Der BDK fordert die "Schaffung von Ermächtigungsnormen in der StPO und den Polizeigesetzen für offene und verdeckte Ermittlungen im Internet, speziell auch in Social Networks" und einen "Resetknopf für das Internet", mit dem das Kanzleramt im (Terror-)Notfall die gesamte Infrastruktur lahmlegen können soll. Auch würden die Kripo-Beamten gerne auf fremde Rechner zugreifen, um dort eingenistete Datenschädlinge zu entfernen. Der BDK-Vorsitzende Klaus Jansen fordert außerdem "Internet-Ausweise", die verpflichtend sein sollen. Alles Maßnahmen, die seiner Meinung nach nötig sind, denn "inzwischen steht das Gewaltmonopol des Staates auf dem Spiel."

Telekoms 101 Tipps in Stickrahmen-Optik

Aber nicht nur Innenminister und Beamtenlobby mischen mit Thesenpapieren zur Netzentwicklung derzeit mit. Auch das "Creation Center" der Forschungsabteilung der Deutschen Telekom aus Bonn engagiert sich mit der sogenannten eEtiquette, einer Art Online-Knigge mit "101 Leitlinien für die Digitale Welt". Darin werden sehr allgemeine Ratschläge wie "Verbreite Deine Fotos nicht maßlos und gib nicht mit ihnen an" oder "Beantworte alle persönlichen E-Mails innerhalb eines angemessenen Zeitraums" formuliert – komplett mit pseudoironisierender Stickrahmen-Optik im Großmutter-Stil. Der Blogger und Medienberater Ralf Schwartz kommentierte süffisant: "Statt 101 Leitlinien hätte eine einzige gereicht: Verhalte Dich digital bitte einfach so, wie Du Dich auch analog verhalten würdest, wärest Du gut erzogen und trotzdem neugierig!"

CCC für lebenswertes Netz

Das gelungenste Thesenpapier zur Netzzukunft hat der Chaos Computer Club (CCC), den man mit Fug und Recht als "wise old man" der ganzen Debatte bezeichnen kann, veröffentlicht. Seine "11 Forderungen für ein lebenswertes Netz" enthalten unter anderem den Vorschlag, aus dem Internet-Zugang ein Grundrecht zu machen, weil dieser längst Bedingung für die Teilnahme am kulturellen und politischen Leben sei. Weiter fordert der CCC die Netzneutralität festzuschreiben und ein moderneres Urheberrecht, das zum Netzzeitalter passt einzuführen. De Maizieres Angst vor der Anonymität setzt der CCC ein klares Recht auf Anonymität entgegen – das sei für den Datenschutz ebenso notwendig wie zur freien Entfaltung bedrohter und verfolgter Menschen.

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