Das Märchen vom billigen Erdgas

REGELN Während der deutsche Umweltminister Altmaier laut über neue Gesetze zur Förderung von Erdgas nachdenkt, herrscht in den USA ungebremste Goldgräberstimmung

BERLIN taz | Peter Altmaier (CDU) will strengere Regeln für das Fracking. Der Umweltminister kündigte an, die Förderung von Schiefergas zunächst in Trinkwasserschutzgebieten generell zu verbieten. Das Gesetz soll noch diese Legislaturperiode verabschiedet werden. Für alle anderen Bereiche soll eine Umweltverträglichkeitsprüfung gesetzlich vorgeschrieben werden. Bundestagsabgeordnete aus CDU und FDP, sowohl aus dem Umwelt- als auch aus dem Wirtschaftsbereich, befürworten diese Maßnahmen. In einem Brief an Altmaier fordern sie ein Vetorecht der Wasserbehörden, teilte der FDP-Umweltpolitiker Michael Kauch mit. Damit ist Schwarz-Gelb auf die Position der rot-grünen Landesregierungen eingeschwenkt, die den Bund bereits im Bundesrat zu einer Regelung aufgefordert hatten.

Schiefergas galt in Deutschland bis vor Kurzem als nicht gewinnbar wegen des Widerstands der Bewohner in den betroffenen Gebieten, aber es galt auch schlicht als zu teuer. Das Mannheimer Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW) veröffentlichte erst kürzlich eine Umfrage unter Energieexperten. Diese glaubten mehrheitlich, Fracking lohne sich erst ab einem Erdgaspreis von 40 bis 50 Euro pro Megawattstunde. Derzeit liegt der Preis bei 27 Euro.

Trotzdem macht sich Goldgräberstimmung breit. Zuletzt verkündete der Chemieriese BASF, er wolle in die Forschung einsteigen. Befeuert wird die Debatte durch das „Erdgas-Wunder“ in den USA. Dort hat die Technik zu einer enormen Ausweitung des Angebots an Schiefergas und -öl geführt, zu stark fallenden Energiepreisen und einem Wirtschaftsboom. Rund 3,30 Dollar pro mmBTU (das sind rund 26,4 Kubikmeter) kostet Erdgas dort derzeit, das entspricht einem Drittel der deutschen Preise. Das billige Gas verdrängt die Kohle vom US-Markt, erste Berichte von Atomkraftwerken, die nicht mehr wettbewerbsfähig seien, tauchen auf.

In den USA selbst hat das Gaswunder einen heftigen Streit ausgelöst. Niedrige Preise sind erfreulich für die verarbeitende Industrie – für die Förderunternehmen sind sie ruinös. Deshalb fordert die Branchenvereinigung American Petroleum Institute von der Regierung, den bislang verbotenen Export von Erdgas in Form von Flüssiggas zu genehmigen. Das sei gut für die US-Wirtschaft und schaffe Jobs. Die Chemiebranche hingegen wettert gegen die Exporte, Wortführer Dow Chemical drohte, bei steigenden Gaspreisen seine Investitionen herunterzufahren. Doch was heißt das für Deutschland? „Die Situation hier lässt sich überhaupt nicht mit der in den USA vergleichen“, sagt Felix Matthes vom Öko-Institut.

Entscheidend für die niedrigen Gaspreise dort sei nicht nur das große Angebot an Erdgas, sondern vor allem die Marktstruktur. „In die Förderung sind dort Unternehmen mit sehr großer Vielfalt eingestiegen, auch kleine und mittlere“, so Matthes, „und haben einen ruinösen Wettbewerb entfacht.“ In Deutschland und Europa hingegen herrsche ein Oligopol von wenigen großen Energiekonzernen, die sich auch den Erdgasmarkt untereinander aufteilten. Ein Preisverfall wie in den USA sei also nicht zu erwarten. HOL