MODESPECIAL FÜR KLEINE WILDE JUNGS
: Good boooy! Cleevvver girl!

Trends & Demut

VON JULIA GROSSE

Kürzlich unterhielt ich mich mit einer eigentlich ziemlich coolen, alleinerziehenden Mutter von Anfang vierzig, die sich aus offensichtlicher Treue zu den Jim-Jarmusch-Neunzigern die Haare immer noch weiß färbte und ihren Sohn per BMX-Rad zur Schule fuhr. Als wir auf Kinder-Yoga zu sprechen kamen, sagte die Frau, die ich bis dahin noch für cool und knallhart emanzipiert gehalten hatte: „Mein Sohn hat es da genau eine Stunde ausgehalten. Und ganz ehrlich, ich kann ihn auch verstehen. Wie soll man als Junge Respekt vor einer Lehrerin mit weicher Stimme und in Leggings aufbauen. Er geht jetzt zu diesem Bär von einem Trainer und tobt sich beim Karate aus.“

Immerhin brach für mich nach diesem Kommentar keine Welt zusammen, denn es war mir nicht neu, dass die Briten mehrheitlich erzkonservative Rollendenker sind. Man muss nur in einen gut sortierten Kinderladen gehen, wo die Geschlechtertrennung penibel nach Farben verläuft. Alles Bläulich-Grünliche für ihn, alles Rosig-Pinke für sie. Dass aber selbst diese nach Subkultur schreiende Jim-Jarmusch-Muse redete wie aus dem Benimmknigge meiner Großeltern, ärgerte mich. Es war ähnlich desillusionierend wie die Szene mit zwei Erstklässlerjungs, die sich gegenseitig traten und keiner der beiden leger aussehenden Väter, Typ Grafikdesigner, etwas dagegen unternehmen wollte. Ganz im Gegenteil musste sich jeder von ihnen ganz offensichtlich zusammenreißen, um den prügelnden Sprössling nicht enthemmt anzufeuern. Goood booooy! Dieses Kompliment gibt es für Jungs, denn es hat in der Regel mit geschossenen Toren, Schmerzen oder Mutproben zu tun. Das verbale Pink für die Mädchen ist ein hysterisch quietschig ausgesprochenes: Cleeeeevvver girl!

Konfrontiert man Briten mit ihrem Rollenfetischismus, jaulen sie auf. Alles gar nicht wahr! Man handele und erziehe total gleichberechtigt! Thatcher war schließlich auch eine Frau, das sei ja wohl der beste Beweis, wie emanzipiert man sei! So emanzipiert, dass weibliche Stars, wie die britische Architektin Zaha Hadid, in Interviews fast schon zynisch darauf hinweisen müssen: „Ich bin sicher, dass ich als Frau einen sehr gutes Hochhaus bauen kann.“ Das Magazin der Sunday Times breitete vor kurzem reichlich tollpatschig diverse Regeln zur zeitgenössischen Erziehung unserer jungen Töchter aus. Die lustigste: Vermeiden Sie Spielzeug und Kleider, die nur für Mädchen entworfen wurden! Wow, Wahnsinnstipp! Klingt wie aus dem Nachschlagewerk einer radikalen Familientherapeutin aus den 50er Jahren.

Zwei Seiten später war es mit der Hobbyemanzipation auch schon wieder vorbei: Hier präsentierte das Magazin plötzlich ein „Modespecial für kleine wilde Jungen“, Taschen, Schuhe, Kopfkissen und Hemden, überzogen mit „witzigen Macho-Traktoren, Rennautos und Dampfloks“. Die verwöhnten Londoner haben ja schon einiges gesehen. Aber wenn man seine Tochter von oben bis unten in solche Rennauto-Muster stecken würde, wäre das fast ein bisschen Revolte.

■ Julia Grosse ist taz-Kulturkorrespondentin in London