Neues Nick-Cave-Album: Ohne Gott und Liebe

Vorlagen für ewige Unangepasstheit: Auf "Grinderman 2", dem neuen Album von Nick Cave und seiner Band Grinderman bildet Fleischeslust nur den dreckingen Bodensatz.

Prediger und Exorzisten: Nick Cave mit seiner Band Grinderman. Bild: Deirdre O'Callaghan

Anlässlich der Gründung seiner neuen Band Grinderman hat Nick Cave seinen Kollegen Warren Ellis, den anderen Komponisten der Band, gefragt, worüber er denn keinesfalls Songs schreiben solle. Ellis Antwort fiel so lapidar wie einschneidend aus: "No God and no love."

Zuvor hatte Cave seine alte Begleitband The Bad Seeds nach mehr als zwei Jahrzehnten des Bestehens und zahllosen Alben auf Eis gelegt - rechtzeitig vor einer Glorifizierungswelle. Denn anders, als es das zahnlose Spätwerk vieler seit den 80ern aktiver Rockgrößen darstellt, entpuppt sich der 52-jährige Nick Cave auch in seiner neuen Inkarnation mit Grinderman als Besessener und Exorzist. Gemeinsam mit den Bandkollegen, neben Ellis sind das Martyn Casey und Jim Sclavunos, propagiert Cave Altersgeilheit.

Die Singleauskopplung "No Pussy Blues" aus dem 2007 erschienenen Grinderman-Erstlingswerk stand prototypisch für das Zelebrieren dieser neuen Triebgesteuertheit. In "No Pussy Blues" mimt Nick Cave einen abgetakelten Musiker, der nach dem Konzert einem weiblichen Fan nachstellt. So sehr er sich um die junge Dame bemüht, sie verweigert sich ihm beharrlich. Fleischeslust bildet nun auch den dreckigen Bodensatz von "Grinderman 2".

Stets in dunkle Anzüge gekleidet, teils vollbärtig und ungepflegt, Nick Cave auch mal mit Schnauzer, weit aufgeknöpftem Hemd und Goldkette, gibt das Quartett eine prima Vorlage für das Image der Halunken ab, das sie besingen. Auch die Plattencover schlagen in dieselbe Kerbe: das Tier im Mann. Während das Debütalbums ein brüllender, grün leuchtender Rhesusaffe ziert, der mit seinen Händen sein Genital bedeckt, ist auf "Grinderman 2" ein zähnefletschender, das Fell sträubender Wolf in einem luxuriös eingerichteten Zimmer abgebildet. Auf den ersten Blick wirkt das wie eine plakative Untermalung eines betont räudigen Oeuvres, in dem alte Säcke in ungehobelter und unreflektierter Weise ihre Midlife-Crisis mit trashigem Horror und billigen Herrenwitzen ausleben.

Fantasievolle Wendungen

In der Tat lässt sich mit Grinderman ein geniales Songwriter-Ego auf ein grenzwertig-lustvolles Schauspiel ein. Einerseits ist die Ergötzung primitiv und direkt, andererseits nimmt das dunkle Theater aber immer wieder fantasievolle Wendungen zur Tragikomödie. Ein lechzender, knurrender und jaulender Nick Cave gibt sich zappelig und wutentbrannt in einem Bandgefüge, das mehr ist als bloßes Beiwerk. Multiinstrumentalist Ellis (der ja mit The Dirty Three selbst einer eckigen Band vorsteht) tüftelt mit E-Geige und allerlei Verzerrergeräuschen an einem Sound, der wie eine Abrissbirne daherkommt. Mit Casey und Sclavunos an Bass und Gitarre werden in einem Höllentempo ungeschliffene Songs eingespielt, die bei den Hörern dort ankommen, wo sie ausgebrütet wurden - aus den Eingeweiden in die Eingeweide.

Für das Debütalbum von Grinderman hatte Cave schon rudimentär das Gitarrenspiel erlernt. Bei "2" hält er die E-Gitarre weiter umgeschnallt und lässt sie fiese dröhnen. Der Auftaktsong des Albums, "Mickey Mouse and The Goodbye Man", zeichnet eine Welt von stumpfsinniger Gewalt und gefühlskaltem Sex. Zu aggressiven und druckvollen Gitarrenspiel heißt es da: "We sucked her and we sucked her and we sucked her dry." Auch in "Worm Tamer" geht es mit Songtexten unter der Gürtellinie weiter. Die Frau im Song wird von ihrem Liebhaber als "snake charmer", "mambo rider" and "worm tamer" bezeichnet und dieser folgert dann "Im only happy when Im inside her".

Man fühlt sich an den sexsüchtigen Protagonisten aus Nick Caves jüngstem Roman "The Death of Bunny Monroe" erinnert. Dieser benutzt den Beischlaf, um eine innere Leere zu füllen, Liebe kann er aber nicht zulassen und er ist der emanzipierten Frau nie gewachsen. Eine traurige Figur.

Sie bedeutet aber auch, dass Caves Texte über die Fantasielosigkeit dieser Figur hinausweisen. Die Singleauskopplung "Heathen Child" beschwört gebetsmühlenhaft ein Bedrohungsszenario einer in der Badewanne liegenden Frau. "You think your great big husband will protect you / You are wrong / You think your little wife will protect you / You are wrong/ You think your children will protect you / You are wrong / You think your government will protect you / You are wrong". Caves Protagonistin, die sich auf die traditionellen Institutionen nicht mehr verlassen kann, entdeckt umringt von dunklen Gestalten eine gottgleiche Macht in sich. So tönt Emanzipation à la Grinderman!

In dem Song "Kitchenette" dringt ein böser Geist in die Küche einer Hausfrau ein und setzt ihr allerlei verführerische Gedanken in den Kopf, während er seine Finger in ihre Keksdose gleiten lässt und ihre Lebkuchenmännchen zermalmt: "Whats this husband of yours ever given to you?/ Oprah Winfrey on a plasma screen and a brood of jug-eared, buck-toothed imbeciles/ The ugliest fucking kids Ive ever seen."

Auch wenn Musik und Texte bisweilen laut krachend, ganz dem Topos der harten Männlichkeit verpflichtet sind, so macht man es sich zu leicht, wenn man Grinderman als Speerspitze eines neuen alten Machismo abtut. Wenn er mit perverser Freude den alternden Lüstling mimt, sitzt Cave immer der Schalk im Nacken. Sein vorgeblicher Männlichkeitskult kreist ohnehin nicht um heroische und mächtige Männer, sondern um jene finsteren Typen, die am Rande der Gesellschaft stehen. Auch wenn diese Figuren eine anbetungswürdige Vorlage für die ewige Unangepasstheit bedienen, so blitzt hinter dem strotzenden Selbstbewusstsein nur der Mann in der Krise auf. Und der zähenbleckende Wolf erscheint nunmehr im Lichte des Angstbeißers. Denn nicht nur die Frau fühlt sich bedroht, sondern auch ihr Mann, da ihnen ein Wind der Zerstörung gesellschaftlicher Konventionen um die Ohren bläst. Zum Durchatmen auf dem Verwüstungszug hat Nick Cave mit "Palaces of Montezuma" in einer gefühlten Beiläufigkeit doch noch ein erhabenes Liebeslied eingestreut. Momente der Einkehr beschert er seinen Hörern auch mit dem Song "What I Know".

Loslassen leicht gemacht

Fern jeder Altersmilde erhebt Grinderman den Anspruch, mehr zu sein als ein Nebenprojekt eines launischen Grandseigneurs. Bei seinem Wüten verliert Nick Cave auch schon mal das Ziel aus den Augen. Vielleicht ist aber gerade die Schlacht das Ziel. Denn Grinderman sind begnadet genug, um egal aus welchen Sinnestaumel einen kaputten Blues-Rock aus dem Ärmel zu schütteln, der das Loslassen leichter macht. Und wenn bis zum nächsten Album die Emanzipation vollends geglückt ist, so gibt es dann vielleicht auch die Figur der Grinderwoman, die den räudigen Halunken den Stinkefinger zeigt.

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