Medienberichte über Ole von Beust: Jetzt wird's fleischlich
Das "Hamburger Abendblatt" macht dem zurückgetretenen Bürgermeister von Beust deutlich, dass er wegen seiner jungen Liebe nicht mehr gesellschaftsfähig ist.
![](https://taz.de/picture/296720/14/ole-von-beust.20100921-17.jpg)
Darf ein Mann in den besten Jahren, ein öffentlicher Mann dazu, einen anderen Mann lieben, der gerade erst volljährig ist? Und welche gesellschaftlichen Konsequenzen drohen ihm? Darüber diskutiert man derzeit in Hamburg. Am Beispiel von Ole von Beust (55), Ex-Bürgermeister - oder Alt-Bürgermeister? Da geht es ja schon los.
Die Bild-Zeitung fragte ihn, wie man ihn denn nun zu nennen habe, was von Beust abtat mit: "Einfach Ole von Beust." Dabei ist es ein Politikum: Das Wort "Ex-Bürgermeister" bedeutet ähnlich wie "Ex-Freund", dass von Beust jetzt eben was anderes macht. Ex und hopp. Der "Alt-Bürgermeister" dagegen ist die hanseatische Spielart des Elderstatesman: jemand, der wegen seiner Verdienste um die Stadt gefragt ist und gefragt wird, wenn das aktuelle politische Personal nicht weiter weiß, wenn dringende - auch ethische - Fragen anstehen. Dieser Rang soll von Beust nun entzogen werden.
Der Hintergrund: Vorige Woche trat Ole von Beust erstmals seit seinem Rücktritt im Juli öffentlich auf, bei der Eröffnung eines Armani-Shops. An der Seite des bekennenden Modemuffels ein junger, ein sehr junger Mann. Das Hamburger Abendblatt berichtete verschwitzt-verschwiemelt, von Beust habe seinen 22-jährigen Großcousin "an seiner Seite" gehabt - und ließ alle Fragen offen. Es blieb der Hamburger Morgenpost am 17. September vorbehalten, von Beusts zweites Outing auf den Titel zu heben: "Oles junges Glück" schrie den Leser in Sonnenstudio-Orange an, darüber stellte das Blatt die Frage, die seither die Society zwischen Hamburg und Sylt bewegt: "Gab er für Lukas (19) sein Amt auf?"
Das Abendblatt, unter Chefredakteur Claus Strunz selbst auf verschärftem Boulevardkurs, war zweiter Sieger. Aber der mit der Führung einer Lokalzeitung unausgelastete frühere Bild-am-Sonntag-Chefredakteur machte die Causa von Beust am Tag darauf zur Chefsache: Unter dem Titel "Mehr Glück als Verstand - Eine politische Stilkritik" vergleicht er von Beust mit der Titelfigur des Philipp-Roth-Romans "Demütigung", einem Schauspieler, dem die Fähigkeit zum Schauspielen abhanden kommt - und der in der Folge "beraubt um seine Stärke durch den Rest seines Lebens" taumele, andere Menschen verletze, "vor allem aber sich selbst". "Das könnte von Beust sein", schließt Strunz seine Tirade, in der er von Beust vorhält, er habe seine zentrale Stärke verloren: seine Stilsicherheit.
Dem "ehemaligen Stilisten" sei die "Rückkehr in die Öffentlichkeit - offenbar ausgelöst von einer glücksbedingten Pause des Verstandes - erstaunlich entglitten". Auf Deutsch: Der Mann ist schwanzgesteuert. Stil hatte dagegen, das ist die implizite Botschaft, wie von Beust seine ganze politische Karriere hindurch seine Sexualität verbarg. Selbst nach seinem ungewollten Outing war er zwar offiziell Deutschlands zweiter schwuler Landesvater, de facto aber ein asexueller. Nie trat er mit seinem Freund auf. Von Beust schien eine theoretische Homosexualität zu leben, verheiratet aber war er mit dem Amt - so lassen sich auch die stocksteifsten Hanseaten einen schwulen Bürgermeister gefallen.
Aber nun wirds fleischlich, und das, oh Glück (!), mit einem sehr, sehr jungen Mann. Das kann man prima degoutant finden, ohne dass diese Variante des alten Hamburger Spielchens "Ich bin hanseatischer als du" gleich eine homophobe Note bekommt.
Die Sanktion gegen von Beust: der Ausschluss aus dem ehrwürdigen Kreis der Alt-Bürgermeister. Davon gibt es nämlich laut Strunz eigentlich nur zwei: Klaus von Dohnanyi und Henning Voscherau. Nur sie würden inner- und außerhalb der Stadt gehört. Von Beust sei "auf bestem Wege", den entsprechenden "Vertrauensvorschuss zu verspielen". Vielleicht trifft Strunz Analyse an diesem Punkt besser, als ihm lieb ist: Unter Hanseaten gilt Schein nun einmal mehr als Sein.
Dementsprechend sind in Hamburg eben auch die gesellschaftlichen Konsequenzen dieser Liebesgeschichte Thema, nicht die Geschichte selbst. Dabei hätte man gut fragen können: Was sucht ein gestandener, erfolgreicher Mann bei einem Jungen, der gerade mit der Schule fertig wird? Und was jener bei einem fast dreimal so alten, voll etablierten Mann, der mitten im Rampenlicht steht? Wie soll sich daraus je eine gleichberechtigte Beziehung entwickeln? Privatsache, findet von Beust. Und zu seinen Kritikern wurde er in Bild deutlich: "Wichtig ist, dass man zuverlässig, anständig und nach Gesetz lebt. Das tue ich. Der Rest sind Ressentiments."
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