"Rheinischer Merkur" als Beilage: "Die Zeit" wird katholisch

Die katholische Wochenzeitung "Rheinischer Merkur" wird eingestellt, zuletzt machte das Blatt nur noch Verluste. Doch 2011 soll es als Mini-Beilage der "Zeit" wiederauferstehen.

Auch katholisch: Zeit-Chefredakteur Giovanni di Lorenzo. Bild: AP

Im Juni stand es schon auf der Kippe: Der katholischen Kirche wüchsen die Verluste beim traditionsreichen Rheinischen Merkur über den Kopf, hieß es. Eine erneute hausinterne Lösung mit Sparrunden, Personalabbau und den üblichen Maßnahmen verspreche keine anhaltende Verbesserung der Lage. Eine Lösung müsse her - zur Not auch eine drastische.

Damals vertagte man sich noch und fuhr in die Sommerferien. Jetzt ist es offiziell: "Die Gesellschafter des Rheinischen Merkur haben beschlossen, eine Kooperation mit der Wochenzeitung Die Zeit einzugehen. Ziel ist es, die Kernkompetenz des Rheinischen Merkur unter gewandelten Bedingungen des Medienmarktes weitestgehend zu sichern", verklausulierte eine Pressemitteilung der Deutschen Bischofskonferenz 24 Stunden nach dem Beschluss den Schritt: Nach über 60 Jahren stellt das Blatt sein Erscheinen ein.

Ab 2011 werden eine Handvoll Merkur-RedakteurInnen eine Beilage für die Zeit produzieren, die dort weiter den Namen Rheinischer Merkur. Christ + Welt tragen wird. Als "Schatzkästlein geistiger und geistlicher Inhalte rund um das große Thema der Religionen, der Kulturauseinandersetzungen, auch der gesellschaftspolitischen Debatten", wie das Merkur-Chefredakteur Michael Rutz schon mehrere Stunden vor der offiziellen Bekanntgabe der bischöflichen Entscheidung im Deutschlandradio Kultur erklärte: "Und das ist aber dann doch, man muss es klar sagen, das Ende des selbstständigen Rheinischen Merkur."

Nur noch rund 36.000 bezahlte Abonnements hat der Merkur aktuell, fast genausoviel geht überwiegend kostenlos an katholische und andere kirchliche Einrichtungen. Die Verluste sollen jährlich im einstelligen Millionen-Euro-Bereich liegen. Das war der nicht eben armen katholischen Kirche, die über neun Bistümer und die Deutsche Bischofskonferenz den Merkur finanziert, zuviel.

Dabei war in Zeiten des schnellen Internets und sich deutlich verändernder Mediennutzung gerade den Wochentiteln eine gute Überlebenschance prophezeit worden: Sie könnten die Grundversorgung für interessierte Menschen, denen die Zeit für die tägliche Zeitungslektüre abhanden gekommen ist, übernehmen. Allein profitiert nur die Zeit von diesem Trend -ihre Gesamtauflage ist auf die Rekordmarke von rund 500.000 Exemplare pro Woche gestiegen. Der Merkur sammelte zwar im Frühjahr 2002 sogar noch den Abonnentenstamm der untergangenen Wochenzeitung Die Woche aus dem Jahreszeiten-Verlag ein. Doch auch das nützte langfrsitig kaum: Es blieb beim wegen seiner christlich-konservativen Ausrichtung zuschussbedürftigen Nischenblatt, dass sich von Quartal zu Quartal schlechter verkaufte.

Dass nun die Zeit vom Ende des Merkurs profitiert - für die Beilage wird schließlich marktüblich gezahlt, außerdem erhalten alle Merkur-Abonnenten, die bei der Stange bleiben, künftig die Zeit - entbehrt nicht einer gewissen Ironie. Das Modell indes ist alles andere als neu - vielmehr gibt es hier eine Art Ökumene der christlichen Publizistik. Als 2000 die Evangelische Kirche Deutschlands wegen zu großer Zuschussbedürftigkeit ihr Deutsches Allgemeines Sonntagsblatt dicht machte, kam Chrismon heraus: Ein Magazin in SZ-Magazin-Optik, das heute Zeit, SZ und anderen Blättern allmonatlich beiligt. Vom Merkur sollen nun wöchentlich sechs Seiten bleiben, auf Zeitungspapier im gleichen großen Format gedruckt wie die Zeit.

"Die Gesellschafter des Rheinischen Merkur sind davon überzeugt, auf diese Weise für die Themen des neuen Produkts Interesse gerade bei jüngeren Leserschichten zu wecken", heißt es etwas nebulös bei der Bischofskonferenz. Wieviele von den rund 45 fest angestellten Merkur-MitarbeiterInnen weiterbeschäftigt werden, ist unklar, die "Gesellschafter werden die sozialen Belange fair berücksichtigen und sich aktiv um neue Arbeitsplätze bemühen", heißt es in der Mitteilung. "Die Kollegen sind teilweise preisgekrönte und immer hervorragende Journalisten, um die wir uns jetzt natürlich ein bisschen Sorgen machen", sagt Chefredakteur Rutz. Bei der gestrigen Betriebsversammlung, auf der das Aus verkündet wurde, habe eine "Stimmung wie auf einer Beerdigung" geherrscht, sagen Teilnehmer.

Der katholische Filmdienst und das Medienfachblatt Funkkorrespondenz, die ebenfalls von der katholischen Kirche mitfinanziert werden und beim Merkurs in Bonn sitzen, sind von der Einstellung nicht betroffen. Sie gehen nun offensichtlich verlagstechnisch unter das Dach der Katholischen Nachrichten Agentur.

Unklar bleibt dabei, welche Rolle die Erzdiözese Köln und ihr erzkonservativer Bischof Joachim Kardinal Meissner beim Ende des Rheinischen Merkurs spielen. Im Sommer hatte es geheißen, Meissner sei wegen der ihm zu liberal erscheinenden Berichterstattung des Merkur nicht mehr zum weiteren Engagement bereit und würde das Geld lieber in seine Bistumspresse stecken. Denn dort habe er mehr Einfluss. Die Bischofskonferenz dementierte derlei Gerüchte natürlich als "Unsinn".

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