die wahrheit: Mixer, Mitmixer und Wörter auf Rädern

"Mixtura" ist ein spätlateinisches Wort, das als "Mixtur" schon seit geraumer Zeit zum deutschen Sprachgebrauch gehört - zuerst bei den Giftmischern und Kurpfuschern, dann...

... bei Apothekern und Ärzten, schließlich überall. Seit dem Ende des vorigen Jahrhunderts kamen die "mixed pickles" als Essensbeilage und das "mixed double" beim Tennisspiel aus dem Englischen hinzu. Der wirtschaftliche Aufschwung nach dem Zweiten Weltkrieg bescherte uns den "Mixbecher", das "Mixgetränk" und den "Barmixer", die Fresswelle und der wachsende Wohlstand den "mixed grill" und den "Mixer" für die heimische Küche. Die "mixed economy" hingegen ging als "gemischte Wirtschaftsordnung" nur ins Fachchinesisch der Ökonomen ein.

Das änderte sich, als die Regierung Kohl von Schröder/Fischer abgelöst wurde. Die Regierungserklärung der rot-grünen Regierung enthielt in der Sache nicht viel Neues und Überraschendes, aber dafür ein paar neue Wörter - darunter den "Energiemix". Das Wort meinte eine Energieversorgung aus verschiedenen Quellen.

Einmal an so prominenter Stelle ausgesprochen, geriet das Wort "Mix" umgehend an die ganz große Medienglocke. Fortan eroberte der Mix den Jargon aller Sprachmixer von Schwarz über Gelb bis zu Grün und Rot. Man kann eine beliebige Zeitung aufschlagen und findet nun Erläuterungen zum "policy mix", das heißt, zum "Zusammenspiel von Wirtschafts-, Lohn- und Geldpolitik". Ein hoher Bonner Beamter wird mit dem Satz zitiert: "An einem falschen Mix ist in den vergangenen Jahren immer wieder das Wachstum gescheitert."

In der Debatte über die Verlängerung der Laufzeiten für Atomkraftwerke ist wieder überall vom "Energiemix" die Rede wie schon vor zwölf Jahren unter der rot-grünen Regierung. Wenn es noch eines Beweises bedürfte, wie sehr sich die Regierungskonstellationen gleichen, die Karriere des Wortes "Mix" im Politslang erbrächte einen Beleg für die These. Die Politmixer wie ihre journalistischen Mitmixer mixen alles zu einem Sprachbrei, mit dem sie Wählern und Lesern die Gehirne auffüllen.

Eine vergleichbare Erfolgsgeschichte weist lediglich die Rede vom "Positionieren" und "Fokussieren" auf. Mit den Endungen "-isierung" und "-ierung" werden Wörter auf Räder gesetzt. Sie sollen Bewegung ausdrücken: "Demokratisierung" macht aus bloßer "Demokratie" eine Bewegung.

Meistens handelt sich dabei um eine Scheinbewegung, denn "Individualisierung" etwa meint nichts anders als die Übernahme des letzten modischen Schwachsinns, der gerade als "in" oder "angesagt" gilt. Und das geht so: "Die geokulturelle Positionierung fokussiert die Verwerfungen, die sich wie auf dem indischen Subkontinent oder im westlichen China aus dem Aufeinandertreffen verschiedener Religionen und Kulturen ergeben können."

Stilistisch extrem elegant fokussiert ist die syntaktische Positionierung des Wortes "wie" in diesem stumpfdeutschen Satz aus dem akademischen Alltagssprech, das sich inzwischen epidemisch ausbreitet.

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kari

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