: Uni Cottbus gibt nicht auf, Potsdam schafft Fakten
HOCHSCHULFUSION Die Uni Cottbus legt Verfassungsbeschwerde gegen Fusion ein. Brandenburgs Landesregierung will Zwangsheirat zum 1. Juli durchsetzen
SVEN BINKOWSKI
VON SILKE MILIUS
Die Brandenburgische Technische Universität (BTU) Cottbus erhebt gegen das Gesetz zur Neustrukturierung der Hochschulregion Lausitz Verfassungsbeschwerde beim Landesverfassungsgericht in Potsdam. Die Universität rügt, in ihrem Grundrecht auf Wissenschaftsfreiheit und ihren Rechten verletzt zu sein, die sich aus der Selbstverwaltungsgarantie für Hochschulen ergeben.
Präsident Walther Ch. Zimmerli sagte: „Der massive Eingriff in unsere Hochschulautonomie ist aus unserer Sicht nicht begründet worden. Viele unserer Professoren sind fassungslos, wie wenig sich die Strukturentscheidung mit den tatsächlichen Verhältnissen vor Ort befasst hat.“ Sven Binkowski, der Proteste gegen die Fusion organisiert, sagte. „Diese beiden Einrichtungen zusammenzulegen hätte verheerende Folgen für den Wissenschaftsstandort Brandenburg und für die gesamte Lausitz.“ Die Gegner befürchten, dass mit dem Fusionsplan nur eins gewollt ist: sparen.
Brandenburgs Hochschulministerin Sabine Kunst (SPD) begründet ihr Vorhaben damit, dass die BTU Cottbus und die Hochschule Lausitz nicht in der Lage wären, zu kooperieren. Dem widerspricht Präsident Zimmerli. „Die Vorwürfe sind nicht nachvollziehbar. Wir haben bereits im Mai ein umfangreiches Reformkonzept zur Weiterentwicklung der BTU vorgelegt.“ Die BTU Cottbus und die Hochschule Lausitz haben ein gemeinsames Institut in Cottbus geschaffen – das David-Gilly-Institut, an dem Bauingenieurwesen und Architektur für die Studenten beider Einrichtungen unterrichtet wird.
Ein externer Beirat aus Wissenschaft, Wirtschaft und Politik wurde von der BTU einberufen, der den Reformprozess fachlich kompetent begleiten soll. Zu diesem externen Beirat gehört Helmut Richter, Forschungsmanager bei Rolls-Royce Deutschland. „Wir sind sehr stolz darauf, eins von deutschlandweit nur vier Uni-Forschungszentren von Rolls-Royce zu sein. Auch der Rolls-Royce-Konzern hat sich sehr zufrieden über die hervorragenden Forschungsleistungen an der BTU Cottbus geäußert“, sagte Zimmerli.
Auch der Dachverein der Fakultätentage der Ingenieurwissenschaften und der Informatik in Deutschland e. V. (4ING), der 130 Fakultäten an 52 Unis und Hochschulen in ganz Deutschland vertritt, wandte sich mit einem Brief an Ministerpräsident Matthias Platzeck und forderte ihn zum Erhalt der BTU Cottbus und der Hochschule Lausitz auf.
Gegen die Pläne der Ministerin hatte sich inzwischen sogar auch eine Volksinitiative gewendet, die 40.000 Unterschriften sammelte. Der Brandenburger Landtag lehnte diese Initiative ab. Doch die Lausitzer geben nicht auf. „Wir lassen uns nicht einfach so abwimmeln. Wir werden die Abgeordneten dazu zwingen, den Willen des Volkes ernst zu nehmen!“ sagt der Student Alexander Misera. Es will ab Februar das Volksbegehren „Hochschulen erhalten“ starten – dafür müssen binnen sechs Monaten nun 80.000 Unterschriften zusammenkommen.
So lange will Ministerin Kunst nicht warten. Sie hat das Gesetz zur Hochschulfusion im Brandenburger Landtag beschließen lassen. Schon zum 1. Juli 2013 soll nach dem Wunsch der Ministerin die neu gegründete Universität rechtlich wirksam sein.
„Wir leben in einer Demokratie“, sagte Sven Binkowski der taz. „Da muss natürlich erst das Ergebnis des Volksbegehrens abgewartet werden.“ Auch Abgeordnete von CDU, Grünen und auch der Linkspartei fordern inzwischen, dass für diesen Prozess viel mehr Zeit benötigt wird.
Die negativen Folgen der Fusion sind bereits spürbar. „Diese ganze Diskussion um die Hochschulfusion hat schon jetzt verheerende Auswirkungen“, so BTU-Präsident Zimmerli. Mehrere renommierte Professoren wollen die Uni verlassen – wegen der geplanten Zwangsfusion. Forschungspartner sehen die Situation mit großer Sorge.