Wahlrecht: Verkürzte Demokratie befürchtet

Geht es nach der Landesregierung, sollen Bürgermeister und Landräte in Niedersachsen immer ohne Stichwahl gekürt werden. Das stößt auf Widerstand.

Könnte künftig früher jubeln: Hannovers Oberbürgermeister Weil (M., SPD) am Wahlabend 2006 Bild: dpa

Bei der Wahl von Bürgermeistern und Landräten soll es in Niedersachsen auch weiterhin eine Stichwahl geben können: Das hat am Montag ein Bündnis rund um den Verein Mehr Demokratie gefordert. Die Landesregierung will bis Ende des Jahres das Kommunalwahlrecht so ändern, dass ein zweiter Wahlgang entfällt. Die Gegner des Vorhabens aus Opposition, Gewerkschaften und Bürgern sehen darin eine Schädigung der Demokratie: Bürgermeister und Landräte, die mit einfacher Mehrheit im ersten Wahlgang gewählt wurden, seien schwächer legitimiert.

Bisher ist eine Stichwahl nötig, wenn ein Kandidat bei der Direktwahl die absolute Mehrheit der abgegebenen Stimmen verfehlt. Innenminister Uwe Schünemann (CDU) begründet den Vorstoß mit der niedrigeren Wahlbeteiligung bei Stichwahlen: Der Unterschied zum ersten Wahlgang betrage bis zu 15 Prozentpunkte. In der Begründung des Gesetzesvorhabens wird aber noch ein weiterer Grund angeführt: Es soll Geld sparen.

"Absurde Pläne"

Olaf Lies, Landesvorsitzender der SPD, unterstellt der Union dagegen, das Wahlrecht aus taktischen Gründen ändern zu wollen: Sie verspreche sich "parteipolitischen Profit, weil die CDU-Kandidaten bei den meisten Stichwahlen in der Vergangenheit den Kürzeren gezogen haben". Auch Anja Piel, Landesvorsitzende der Grünen, sagt: "CDU und FDP sollten sich von ihren absurden Plänen verabschieden, noch ist Zeit dafür."

Für Lies ist klar: "Wenn ein zweiter Wahlgang stattfindet, erhöht das in jedem Fall die Legitimation." Bei jeder vierten Direktwahl in Niedersachsen habe es 2006 im ersten Wahlgang keinen klaren Sieger gegeben.

Hans-Christian Biallas, innenpolitischer Sprecher der CDU-Fraktion äußerte sich am Montag nur schriftlich: "Die Kritik von SPD und Grünen an der Abschaffung der Stichwahlen zeugt von profunder Unkenntnis der Sachlage." Von fehlender oder zu geringer demokratischer Legitimation könne überhaupt keine Rede sein. Eine Stichwahl, so Biallas, sei bei vielen Wahlen unüblich, zum Beispiel bei Bundestags- und Landtagswahlen. "Nicht selten wird heute ein Kandidat in der Stichwahl mit absolut weniger Stimmen gewählt,als der Zweitplatzierte im ersten Wahlgang erhalten hat", sagt er. Diesen Effekt gab es 2006 bei etwa jeder dritten Stichwahl.

Mehr Demokratie skizziert in einer Stellungnahme die Effekte der geplanten Neuerung für die Bürger: Die seien vor allem negativ für Wähler, die sich bisher für weniger aussichtsreiche Kandidaten - oft von kleinen Parteien, - entschieden hätten. Solchen Wählern habe eine Stichwahl ermöglicht, das aus ihrer Sicht größere Übel zu verhindern. In Zukunft, so Mehr Demokratie, müssten sie von vornherein taktisch wählen - häufig also den Kandidaten einer großen Partei.

Alternativen ignoriert

Das Problem geringerer Wahlbeteiligung würde der Verein anders lösen: "Eine demokratische Alternative wäre eine integrierte Stichwahl, bei der die Wählerinnen und Wähler Plätze vergeben können, ein zweiter Wahlgang würde dadurch wegfallen", sagt Tim Weber von Mehr Demokratie. Dazu hat der Verein drei Vorschläge erstellt.

So sei es möglich, den Wählern zwei Stimmen zu geben: Mit der ersten würden sie ganz normal ihren Favoriten wählen. Zusätzlich könnten sie angeben, welchen Kandidat sie bevorzugen, falls ihr Favorit keine Chance hat - mit der "Alternativstimme". Der Kandidat mit den meisten Erst- und Alternativstimmen hat gewonnen.

Alternativmodelle seien von der Landesregierung aber nicht einmal diskutiert worden, bemängelt Weber. Mehr Demokratie hat im September einen Aufruf gestartet, der die Beibehaltung fordert - oder demokratische Alternativen. Unterzeichnet haben ihn 1.300 Menschen.

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