Kolumne Pressschlag: Ramschware, die keiner will

Der Bundesliga rennt er die Bude ein, aber unter der Woche hockt der Fan nur im Fernsehsessel. Warum?

Die Europapokaltermine unter der Woche erfüllen einen immer mit einer Mischung aus Trauer, Staunen und Kopfschütteln. Champions und Europa League gelten als Muss des ambitionierten Ligadaseins. Und dann? Geht keiner hin. Die Stadien sind halbleer, bestenfalls halbvoll.

In Dortmund kamen für den BVB mickrige 50.000, in Stuttgart füllten 17.400 die Arena nicht annähernd zur Hälfte, vor vier Wochen in Leverkusen gegen Rosenheim "Trondborg" (so nannte sie einst der Franz) waren es statt 30.000 nur erbärmliche 13.000. Neu ist das Phänomen nicht: Die Bundesliga boomt sich von Rekord zu Rekord (am Wochenende waren es wieder 400.000 Besucher), Europapokalspiele aber sind seit Jahren Ramschware.

Nur in München kennt man leere Sitzschalen allein von 1860 in Liga zwei. Und im Schalker Irrsinnskosmos ist die Welt eh ohne Maßstab. Früher gingen dort ja, zumindest in der Legende, 40.000 hin, wenn live eine neue Glühbirne ins Flutlichtgemäst geschraubt wurde. Und jetzt: Blieben gegen Tel Aviv zweitausend Plätze frei. Unfassbar.

Bernd Müllender schreibt für die Sport-Redaktion der taz.

Liegt es am Wochentermin, weil das Gros der Fans mittlerweile von Ferne anreist? München mit seinem riesigen Einzugsgebiet spricht dagegen. Der offenbar strukturkonservative Fan jubelt, wenn sich sein Club "für Europa" qualifiziert und goutiert dann doch nur seine Hausmannskost statt der länderübergreifenden Gourmetmatches.

Die Klubs als Wirtschaftsunternehmen tangieren die Fast-Geisterspiele nur marginal. Europapokal ist TV-Fußball. Die Sender zahlen, die Uefa schüttet groteske Summen aus - besonders in der Champions League. Irgendwann wird man, wie beim italienischen Zweitligisten US Triestina schon geschehen, bunte Kulissentapeten in Klubfarben über die Ränge spannen. Oder gleich riesige Werbebanner. Und Gesänge über Lautsprecher einspielen. Fürs Fernsehen allemal besser als leere Kurven.

In der nächsten Woche ist DFB-Pokal mit teilweise anderen Publikumsgesetzen. Wenn die Großen aus Liga eins in die Niederungen nach Elversberg oder Chemnitz reisen, werden kleine, teils baufällige Stadien aus dem romantischen Gestern aus allen Nähten platzen. Aber jede Wette: In Gladbach (gegen Leverkusen) und bei der Frankfurter Eintracht (gegen den HSV) wird es erhebliche Lücken geben - anders, als es bei der gleichen Paarung in der Liga der Fall wäre.

Und nächstes Wochenende kommen wieder 400.000 zum Bundesligamahl, um sich an den ewiggleichen Trainerdebattenritualen dieser Jahreszeit zu weiden. Vielleicht sollten die rheinischen Rohrkrepierer Köln und Gladbach einfach die Coaches tauschen - das wär mal neu: innovativ, mutig und sparsam dazu.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Sohn des Ruhrgebiets, Jahrgang 1956, erfolgreich abgebrochenes VWL- und Publizistikstudium, schreibe seit 1984 für die taz – über Fußball, Golf, Hambacher Wald, Verkehrspolitik, mein heimliches Lieblingsland Belgien und andere wichtige Dinge. Lebe und arbeite als leidenschaftlich autoloser Radfahrer in Aachen. Seit 2021 organisiere und begleite ich taz-LeserInnenreisen hierher in die Euregio Maas/Rhein, in die Nordeifel und nach Belgien inkl. Brüssel. Bücher zuletzt: "Die Zahl 38.185" - Ein Fahrradroman zur Verkehrswende (2021). "Ach, Aachen!" - Textsammlung aus einer manchmal seltsamen Stadt (2022).

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.