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Archiv-Artikel

NRW will Bund ein Bleiberecht bescheren

Bayern ist skeptisch, Rheinland-Pfalz ist erfreut über den Vorstoß des NRW-Innenministers zu einem Bleiberecht für lange geduldete Flüchtlinge. Der Entwurf soll auf der Innenministerkonferenz im Dezember diskutiert werden

BOCHUM taz ■ Ob Nordrhein-Westfalen in der Flüchtlingspolitik bundesweite Standards setzen kann, ist fraglich: Der Bleiberechts-Entwurf für lange geduldete Flüchtlinge, den FDP-Landesinnenminister Ingo Wolf auf der kommenden Innenministerkonferenz (IMK) vorlegen will, müsste dort einstimmig beschlossen werden. Noch ist kein Land bereit, zum Vorschlag aus NRW klar Stellung zu beziehen. Doch auf der anderen Seite ist der Entwurf so restriktiv formuliert, dass er eher als bisherige Vorschläge eine Chance hat, von allen Ländern akzeptiert zu werden.

In Bayern wird eine so genannte Altfallregelung grundsätzlich mit großer Skepsis gesehen. „Das ist ja kein Geheimnis“, sagt Rainer Riedl, Sprecher des Innenministeriums. Von einer solchen Regelung, so befürchtet der Freistaat, gingen „Sogwirkungen auf Menschen aus, die zu uns kommen wollen.“ Außerdem dürfe nicht der belohnt werden, der seine Ausreise „absichtlich verzögere“.

Auch in Sachsen sieht man keine Notwendigkeit für ein Bleiberecht. „Für uns gilt der Grundsatz: Ist ein Asylbewerber anerkannt oder nicht“, sagt Andreas Schumann, Sprecher des sächsischen Innenministeriums. Wenn nicht, gebe es für den Abgelehnten noch die Möglichkeit über die Härtefallkommission einen Aufenthaltstatus zu bekommen. Zwar sei man auch in Sachsen bereit, zu diskutieren. Nur habe Ingo Wolfs Vorstoß selbst in NRW nicht den notwendigen Rückhalt, so Schumann: „Die sind sich doch in der Schwarz-Gelben Koalition selbst nicht einig, wenn ich das richtig einschätze.“

Der Spalt zwischen den Koalititonspartnern in Flüchtlingsfragen ist tatsächlich unübersehbar: Das wurde auf einer Sondersitzung des Innenausschusses des Landtags am Dienstag mehr als deutlich (taz von gestern): Im Grundsatz will die CDU keine Altfallregelung. „Das ist auch im Zuwanderungsgesetz nicht vorgesehen“, so ihr innenpolitischer Sprecher Theo Kruse. Stattdessen wäre es wichtiger, sich auf schnellere Abschiebeverfahren zu konzentrieren. Die FDP-Fraktion steht hinter dem Entwurf ihres Innenministers. In ihrem Wahlprogramm hatte die FDP unter anderem die Öffnung des Arbeitsmarktes für Flüchtlinge gefordert, im Koalitionsvertrag sind ihre liberalen Vorstellungen herausgefallen.

Weil die Vorstellungen der Liberalen und der Union in NRW so weit auseinander gehen, fällt der Entwurf von Wolf sehr restriktiv aus: Ein Bleiberecht soll bekommen, wer seit sechs Jahren hier lebt, die deutsche Sprache beherrscht sowie seinen Lebensunterhalt selbst verdient, und: „seit zwei Jahren ohne Unterbrechung in einem sozialversicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnis steht“. Wolf spricht von tausenden Flüchtlingen, die davon profitieren könnten. Flüchtlingsexperten schätzen angesichts der hohen Hürden die Zahl auf etwa 1.000 – von 65.000 Geduldeten in NRW.

Das rot-rote Land Berlin will einen eigenen Entwurf einbringen, der bereits ein Bleiberecht für lange geduldete Flüchtlinge schaffen soll, „wenn ihnen ein Arbeitsangebot vorliegt“. Damit würden viel mehr Geduldete einen legalen Aufenthaltsstatus erhalten, als nach dem NRW-Modell.

„Wir begrüßen jeden Vorschlag für ein bundesweites Bleiberecht“, heißt es aus Mecklenburg-Vorpommern und aus Rheinland-Pfalz. In den beiden SPD-geführten Bundesländern haben die Innenminister bereits per Erlass eine großzügigere Vergabe von Bleiberechten angeordnet. „Wir haben nur die bestehende Gesetzeslage ausgeschöpft“, sagt Eric Schäfer, Sprecher des Innenministeriums in Mecklenburg-Vorpommern: „Dabei konnten wir im ersten Halbjahr dieses Jahres 1.000 Flüchtlingen ein Bleiberecht verschaffen.“

NATALIE WIESMANN