: Auf- und Ausbruch
POPGESCHICHTEN Aus der Zusammenarbeit des Schriftstellers Dietmar Dath mit dem Kammerflimmer Kollektief ist eine Band geworden: Jetzt präsentieren The Schwarzenbach in Hamburg und Bremen ihr Debüt „Farnschiffe“
VON ROBERT MATTHIES
Als „drastisch“, „provozierend“, schwer verständlich und doch irgendwie „genial“ gelten die Texte von „Deutschlands Schreibmaschine“ (de:bug) Dietmar Dath, seien es die journalistischen, literarischen, lyrischen oder essayistischen Eingriffe, mit denen der hyperaktive 42-Jährige seit rund 20 Jahren jegliche Grenzen von Gattungen und Vorstellungen zu unterwandern, überfliegen und durchkreuzen trachtet.
Wer etwa verstehen will, wie der Ex-Chefredakteur der Spex, F.A.Z.-Redakteur und Lenin-Aktualisierer in der Streitschrift „Maschinenwinter“ oder in seinem Science-Fiction-Epos „Die Abschaffung der Arten“ Marx und Darwin zusammendenkt, ist gut beraten, mit ein wenig Konzentration ans Werk zu gehen – und ein paar Nachschlagewerke zur Hand zu haben. Falls man doch nachlesen muss, was der Minkowskische Gitterpunktsatz noch mal genau besagt.
Kein schlechter Einstieg ins ausufernde Dath’sche Sprachuniversum war da vor vier Jahren das gemeinsam mit dem mit allen Wassern des Jazz, des Filmsoundtracks, des Soul und des Ambient gewaschenen Karlsruher Kammerflimmer Kollektief entstandene „Musikbuch“ „Im erwachten Garten“. Einen für das Album immer wieder überarbeiteten unveröffentlichten „Spiegeltext“ aus dem Manuskript zu „Die Abschaffung der Arten“, der „einen geheimen Urtext“ hinter dem Roman freilege, haben Dath, Johannes Frisch, Thomas Weber und Heike Aumüller da vertont. Und Text und Musik ein ungewöhnlich inniges Verhältnis eingehen lassen: Daths mit milder Stimme vorgetragene Zukunftssprache trifft auf schlingernde, flirrende und wabernde Zukunftsmusik, die mehr ist als klingende Illustration, die ausspechen möchte, was der Text sagen will.
Immer noch zu sauber getrennt kam dem Quartett die Zusammenführung von Text und Musik aber schließlich vor. Für die Neuauflage der Zusammenarbeit ist man deshalb nun tatsächlich zur Band verschmolzen. „Farnschiffe“ heißt das Debüt von The Schwarzenbach – eine Reminiszenz an die Schweizer Schriftstellerin Annemarie Schwarzenbach. Elf virtuose und mit Synthesizer, Harmonium, Bass, Gitarren und Elektronik zurückhaltend zusammengebastelte Stücke zwischen metaphernreichem Sprechblues und tief in der Reflexion von Pop-Geschichte verwurzelter und sich davon abstoßender Pop-Persiflage finden sich darauf, in denen sich Dath und die Karlsruher Elektronik-Improvisateure nun erstaunlich eingängig des Song-Formats annehmen. Denen man bei aller entspannten Lässigkeit deutlich den Anspruch anhört, mehr und anderes zu sein als wohlklingende Belanglosigkeit, ein Versuch, im Rückgriff eine Form zu finden für das Zusammentreffen von Verweigerung und Gegenvorschlag, Reflexion und Utopie als Pop. Die bei aller Komik immer ernsthaft und nicht selten tieftraurig sind, wenn über das Leben ohne Geld und Angst, die Absurditäten des therapierten Lebens, Castingshowflirts oder eine „Buddhistin mit Zeitjob“ gesungen wird und dagegen „Streitkräfte aus Zimt“ mobilisiert werden. Und die nicht zuletzt auch das vorführen: Wie gut freie Kreativität im Kollektiv funktioniert.
■ Hamburg: Do, 21. 2., 20 Uhr, Kampnagel, KMH, Jarrestraße 20; Bremen: Mi, 27. 1., 21 Uhr, Theater Bremen, Kleiner Saal, Goetheplatz 1