Runder Tisch Missbrauch: Kein Geld für Heimkinder

Kinder, die in den 50er und 60er Jahren in Heimen misshandelt wurden, werden politisch rehabilitiert, vermutlich aber nicht finanziell entschädigt.

Kunstwerk "Im Namen des Herrn" (Ausschnitt) der Künstler Gudrun Adrion und Eckhardt Kowalke. Bild: dpa

Zwei Jahre lang hat der Runde Tisch Heimerziehung alle zwei Monate verhandelt. Es ging um Mädchen und Jungen, die in den 50er und 60er Jahren in Heimen der früheren Bundesrepublik misshandelt, zum Arbeiten gezwungen und sexuell missbraucht worden sind. Jetzt legt das Gremium aus Bund, Ländern, Kirchen und Betroffenen seinen Abschlussbericht vor. Wie der in Detail ausfallen wird, ist noch offen. Eines scheint aber schon jetzt klar zu sein: Mit einer generellen finanziellen Entschädigung können die Opfer nicht rechnen.

Vor allem zwei Themen werden am Donnerstag und Freitag, wenn der runde Tisch unter Leitung der ehemaligen Bundestagsvizepräsidentin Antje Vollmer (Grüne) seine Empfehlungen an die Bundesregierung debattiert, im Mittelpunkt stehen: die politische und die finanzielle Anerkennung der Leiden ehemaliger Heimkinder. Am Montag will das Gremium den Bericht offiziell übergeben.

Bei der politischen Bewertung sind sich offenbar alle einig: Die Misshandlung von Heimkindern ist ein Verstoß gegen das Grundgesetz. Mit dieser Formulierung bekennen sich Staat und die beiden Kirchen zu ihrer Schuld an den damaligen Zuständen in den Heimen. Etwa 800.000 Kinder und Jugendliche in über 3.000 staatlichen und kirchlichen Einrichtungen sollen systematisch misshandelt worden sein. Viele von ihnen sind traumatisiert, manche kämpfen mit bleibenden Schäden. Die Opfer wollen, dass ihr Leid nicht nur politisch, sondern vor allem finanziell anerkannt wird.

Sie fordern eine monatliche Opferrente in Höhe von 300 Euro oder eine Einmalzahlung von 55.000 Euro. Damit orientieren sie sich am "Modell Irland": Dort erhielten über 10.000 Heimkinder durchschnittlich 76.500 Euro für ihr erlittenes Leid.

Eine Pauschalrente hierzulande lehnen vor allem die unionsregierten Länder ab. Das könne niemand bezahlen, argumentieren die Ländervertreter am runden Tisch. Die Länder sind es auch, die dem Vernehmen nach nicht in einen geplanten gemeinsamen Opferfonds einzahlen wollen. Der soll zu gleichen Teilen von Bund, Ländern und den beiden Kirchen getragen werden. Steigen die Länder aus, ist fraglich, ob es den Fonds überhaupt geben wird.

"Wir hoffen, dass das nicht passiert", sagte ein Mitglied der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD): "Für uns ist die Verantwortungsgemeinschaft nicht aufgekündigt." Eine generelle Entschädigung der ehemaligen Heimkinder hält aber auch der EKD-Mann für fragwürdig: "Man kann nicht pauschal sagen, wer in einem Heim war, ist auf jeden Fall Opfer." Deshalb plädieren die Kirchen dafür, "Betroffenen mit fortdauernden Leiden" zu helfen: mit Therapiekosten, kleinen Renten, Ausbildungsbeihilfen.

Wer davon profitieren könnte, ist schwer zu sagen. Zwar ist die Rede von "unbürokratischen Hilfen", aber bislang müssen die Opfer bleibende Schäden nachweisen, beispielsweise mit Akten, die belegen, dass die Misshandlungen die dauerhaften Schäden verursacht haben. Bisher sollen sich knapp 2.000 Betroffene mit bleibenden Schäden beim runden Tisch gemeldet haben.

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